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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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Genau umgekehrt geht es darum,
den politischen Charakter des sozialen Problems zu erkennen. Asoziale Taten
chancenarmer Berliner Jugendlicher mit türkischer und arabischer
Familiengeschichte sollen als Bürgerkriegshandlungen gedeutet werden. Die
Staatsmacht hat es nicht mit Zuständen der Gesetzlosigkeit zu tun, sondern mit
dem Versuch, einem anderen Gesetz auf deutschem Boden Geltung zu verschaffen,
dem Gesetz Allahs. Wenn der Islam das Problem ist, wie Ralph Giordano und Ayaan
Hirsi Ali lehren, dann können Moscheen nie etwas zur Lösung beitragen. Die
Sicherheitsbehörden setzen darauf, dass potentielle Staatsfeinde in den
Moscheegenieinden vor dem Abdriften bewahrt werden. Aber fromme Muslime, die
den Konflikt mit dem staatlichen Gesetz vermeiden, bilden nach der Logik der
Islamkritik auf Dauer die viel größere Gefahr. Die Bürger müssen nur den Koran
lesen und die Fernsehnachrichten verfolgen, tönt es aus den Lautsprechern der
Gegenmuezzine, dann werden sie dahinterkommen, dass die Schulschwänzer in Neukölln
Kampfgenossen der Selbstmordattentäter von Bagdad sind.
     
    Ein Moment wie bei Dan Brown
     
    Eines Tages im Juni 2010 erlebten die Islamkritiker
plötzlich, was vor langer Zeit Abonnenten des «Neuen Deutschland» periodisch
vergönnt war: In der Zeitung wurde die Wahrheit ihrer Weltanschauung
bekanntgegeben - nicht in einem Debattenbeitrag im Feuilleton, sondern unter
den politischen Nachrichten. Es war ein Moment wie im letzten Kapitel eines
Romans von Dan Brown, wenn hinter dem Zifferblatt von Big Ben der Zeitplan der
freimaurerischen Weltverschwörung entdeckt wird und der Detektiv schwarz auf
weiß sieht, dass wirklich alle Fäden zusammenlaufen. Alle Aggressionen von
Muslimen sind Ausdruck der aggressiven Natur des Islam: Für diese simpelste
These der Islamkritik, für die nach aller Erfahrung nichts spricht außer ihrer
Simplizität, wurde ein wissenschaftlicher Beweis präsentiert. Aus seriöser
Quelle: Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hatte im
Auftrag des Bundesinnenministeriums die Gewalterfahrungen Jugendlicher
untersucht. Der dreihundertvierundzwanzigseitigen Studie hatte die
Institutsleitung freundlicherweise eine zweiseitige Kurzzusammenfassung
beigegeben, die ein Resultat heraushob: Bei jungen Muslimen gehe «die
zunehmende Bindung an ihre Religion mit einem Anstieg der Gewalt einher».
    Dieser Satz stellt die Ergebnisse der Untersuchung falsch
dar. Die Zusammenfassung erwähnte, dass der Anteil der Gewalttäter bei den
«sehr religiösen» muslimischen Jugendlichen am höchsten sei, unterschlug aber,
dass er bei den «etwas religiösen» niedriger sein soll als bei den «nicht
religiösen». Eine Sozialpädagogik, die am Leitfaden der KFN-Studie etwas für
die Befriedung der Schulhöfe tun wollte, müsste sich also das Ziel setzen,
Söhnen muslimischer Eltern «etwas»
    Religion zu vermitteln, aber nicht zu viel. Für die
Wirkung der Studie war wichtig, dass das schlagzeilenträchtige Resultat
scheinbar durch die Gegenprobe bestätigt wurde. «Für junge Christen gilt, dass
sie mit steigender Religiosität weniger Gewalttaten begehen.» Auch mit dieser
Formulierung der Zusammenfassung gingen die Autoren über auffällige Ausschläge
der Datenkurven hinweg, um eine einfache Korrelation zu behaupten. So sind bei
den christlichen Migranten mehr Mehrfachtäter unter den «religiösen» als unter
den nur «etwas religiösen» Jugendlichen erfasst worden. Bei den ostdeutschen
Protestanten aus deutschem Elternhaus gibt es sogar eine Verdreifachung des
Mehrfachtäteranteils auf dem Weg von den «etwas religiösen» zu den «sehr
religiösen» Befragten. Die Kinder von Pietismus und Bürgerrechtsbewegung: die
verkannte Gewaltrisikogruppe?
    In Gary Larsons «Far Side Gallery» gibt es einen Cartoon
mit der Legende «Einstein entdeckt, dass Zeit tatsächlich Geld ist». Wir sehen
Einstein im Forscherkittel vor einer Tafel mit einer unendlich komplizierten
Gleichung stehen. Hinter das Gleichheitszeichen hat er das Dollarsymbol
gesetzt. Er hat die Hände in die Seiten gestützt, und seine Haltung verrät,
dass er seiner sensationellen Rechenleistung nicht so recht traut. Christian
Pfeiffer, dem Direktor des KFN und vielgefragten Sozialpathologen, sind solche
Skrupel offenbar fremd. Sein Ehrgeiz, seinen Befund fasslich zu präsentieren,
war jedenfalls stärker. Als Profi der Öffentlichkeitsbearbeitung weiß er, dass
Feinheiten nicht zu vermitteln sind. So besorgte er

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