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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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ohne dass der Verdacht der Fremdenfeindlichkeit aufkommt.
Aber ich warne davor, Gewalt mit einer bestimmten Religion zu verbinden. Das
führt in die Irre. Gewalt bei jungen Menschen ist oft ein Zeichen dafür, dass
sie keine Perspektive für sich sehen. Und da hilft nur Bildung, Bildung,
Bildung.»
    Vermutlich bezog sich der Satz vom großen Problem auf den
allgemeinen Zusammenhang von Schulabbruch und Kriminalität unter
Zuwanderersöhnen mit türkischer oder arabischer Familiengeschichte. Im Fluss
des Interviews schien Frau Merkel aber dem Pfeiffer-Institut zu bescheinigen,
mit der Gewaltaffinität streng muslimisch erzogener Heranwachsender ein großes
Problem identifiziert zu haben, über das gesprochen werden müsse. Dass sie
hinzusetzte, Gewalt solle aber nicht mit einer bestimmten Religion assoziiert
werden, dürften die Sarrazin-Fans unter den Lesern der «Bild am Sonntag» als
die typische gutmenschliche Klausel verstanden haben, die das Gesagte wieder
entwertete. Frau Merkel hätte den KFN-Befund als zweifelhafte Hypothese
kennzeichnen können, um zu verdeutlichen, dass sie nicht nur aus moralischer
Vorsicht vor der Verknüpfung von Jugendgewalt und Bekenntnis im politischen
Streit warnte, sondern die Verbindung in der Sache keineswegs gesichert ist.
Wahrscheinlich aber erinnerte sich auch sie nur an die Schlagzeilen aus dem
Juni und meinte, dass Pfeiffer wohl doch irgendwie seriöser sei als Sarrazin.
«Welt online» stellte die von einer Nachrichtenagentur gelieferte
Zusammenfassung des Interviews der Springer-Kollegen unter die Überschrift
«Problemviertel - Merkel warnt vor rechtsfreiem Raum». In diesem Referat hieß
es: «Merkel forderte, die statistisch höhere Gewaltbereitschaft strenggläubiger
muslimischer Jugendlicher nicht zu tabuisieren.» Wo die Kanzlerin festgestellt
hatte, es gebe kein Tabu, man könne offen über Ursachen der Kriminalität von
Migranten sprechen, da wurde verbreitet, sie habe in der Manier der
Unterstützer Sarrazins vor der Errichtung eines Tabus gewarnt. Und die von Frau
Merkel nicht ausdrücklich in Zweifel gezogene tendenziöse Hypothese der KFN-Studie
wurde in dieser Wiedergabe eines Wortlautinterviews der Bundeskanzlerin zum
statistisch nachgewiesenen Faktum.
     
    Die Bürgerkriegsgewinnlerin
     
    Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, ist unter den deutschen Berufspolitikern das erste Beispiel
für eine Karriere auf dem Ticket der Islamkritik. Sie führte in kurzer Zeit
nach fast ganz oben. Als junge Hinterbänklerin profilierte sich die
Bundestagsabgeordnete aus Wiesbaden, indem sie sich die Fachgebiete Islam, Integration
und Extremismus zulegte. Im Herbst 2009 nahm sie bei «Hart, aber fair» an einer
Diskussion über das Sarrazin-Interview teil. Frank Piasberg fragte sie nach der
Wirkung dieses Kompetenzprofils auf Besucher ihrer Internetseite. «Geht das in
Ihrer Partei nur in diesem Dreiklang?» Die Antwort der Politologin, die der aus
dem Fernsehen bekannte Wahlforscher Jürgen Falter mit einer Untersuchung über
die Gerechtigkeitsideale der CDU-Bundestagsabgeordneten promoviert hat: «Das
sind einfach drei Politikfelder, für die ich verantwortlich bin.» Ein
Zusammenhang, gab sie zu verstehen, werde durch die Aufzählung nicht
suggeriert. Das war eine offenkundige Irreführung. In ihren Pressemitteilungen
brachte die Abgeordnete regelmäßig das Kunststück fertig, alle drei Felder ihres
Verantwortungsbereichs abzudecken. Mit besonderer Hartnäckigkeit warnte sie
dabei vor der Unehrlichkeit muslimischer Verbandsvertreter.
    Frau Schröder gehört wie ihre Fraktionskollegin Erika
Steinbach der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) an, die etwa
36000 Mitglieder in Deutschland hat. Diese altkonfessionelle Kirche steht in
der Tradition der altlutherischen Orthodoxen, die sich im neunzehnten
Jahrhundert vom preußischen Staatskirchentum lossagten, das sie in die Hände
der Rationalisten und Liberalen gefallen sahen. Der Ökumenereferent der SELK,
Propst Gert Kelter, veröffentlichte im Januar 2010 eine Stellungnahme zum
Schweizer Minarettverbot, die Figuren der traditionellen Apologetik mit
Motiven der modernen Islamkritik kombinierte. Es könne durchaus Angst gewesen
sein, was die Schweizer mehrheitlich für ein Minarett-Verbot habe stimmen
lassen. «Die Frage ist nur: Ist solche Angst vielleicht gar nicht so
unbegründet?» Kelter führte aus, es sei religiöse Pflicht des Muslims, den
islamischen

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