Ball der Vampire
nicht wie ein Springteufel plötzlich durchs Fenster starren wollte, schob ich mich seitwärts an der Hauswand entlang, bis ich durch eine Ecke des Fensters hineinsehen konnte. Die älteren Pelts, Barbara und Gordon, saßen auf einem Zweiersofa aus den sechziger Jahren (Modell »frühes Amerika«), und ihrer Körpersprache war deutlich anzusehen, wie unglücklich sie waren. Ihre Tochter Sandra lief vor ihnen auf und ab, obwohl für so einen Auftritt kaum Platz war. Das Wohnzimmer war sehr klein, so klein, dass die darin wohnende Familie am besten nur aus einer Person bestehen sollte, wenn man es gemütlich haben wollte. Die älteren Pelts sahen aus, als würden sie gleich zu einem Fotoshooting für Landhausmode gehen; dagegen war Sandra geradezu abenteuerlich gekleidet: zu hautengen Khakistretchhosen trug sie einen buntgestreiften Pullover mit kurzen Ärmeln. Sie war gekleidet, als wollte sie irgendwo in einer Mall den Jungs aus der Schule schöne Augen machen, und nicht, als wollte sie zwei Menschen foltern. Aber genau das hatte sie vorgehabt. Mitten im Zimmer stand ein Stuhl mit hoher Lehne, an dem schon Riemen und Handschellen angebracht waren.
Und das mir inzwischen so vertraute Isolierband fehlte auch nicht.
Ich war ziemlich ruhig gewesen, bis ich das Isolierband entdeckte.
Keine Ahnung, ob Tiger zählen können, aber ich hielt drei Finger hoch für den Fall, dass Quinn zu mir herübersah. Dann bückte ich mich und schlich langsam und vorsichtig weiter die Hauswand entlang, bis ich unter dem zweiten Fenster ankam. Ich war ziemlich stolz auf mein Talent zum Anschleichen - was mich vor einer drohenden Katastrophe hätte warnen sollen. Denn Hochmut kommt vor dem Fall.
Obwohl das Fenster dunkel war, als ich mich aufrichtete, sah ich durch die Scheibe direkt in die Augen eines kleinen dunklen Mannes mit Ziegenbart. Er saß an einem Tisch direkt am Fenster und hatte einen Becher Kaffee in der Hand. Erschreckt ließ er den Becher auf den Tisch fallen, und die heißen Kaffeespritzer trafen seine Hände, seine Brust, sein Kinn.
Er schrie los, aber ich weiß nicht mal, ob er eigentlich irgendwelche Wörter benutzte. An der Vordertür des Hauses hörte ich Unruhe, und im Wohnzimmer auch.
Tja... verdammt.
Ich war ums Haus herum- und die Stufen zur hinteren Veranda hinaufgerannt, noch ehe man hätte Jack Robinson sagen können. Ich öffnete die Fliegengittertür, stieß die Holztür auf und sprang mit dem Elektroschocker im Anschlag in die Küche. Der kleine Mann wischte sich mit dem Handtuch noch immer Kaffee aus dem Gesicht, als ich ihn erwischte. Er fiel um wie ein nasser Sack. Wow!
Aber der Elektroschocker musste nachgeladen werden, wie ich merkte, als Sandra Pelt mit gefletschten Zähnen in die Küche gestürmt kam. Das verdammte Ding richtete gar nichts gegen sie aus, und sie sprang mich an wie eine - tja, wie eine völlig entfesselte Wölfin eben.
Aber sie war immerhin noch in ihrer menschlichen Gestalt, und ich war ungeheuer verzweifelt und ungeheuer wütend.
Ich hatte im Merlotte's mindestens schon zwei Dutzend Prügeleien mitangesehen, von halbherzigen Fausthieben bis hin zu verbissenen Keilereien, und ich wusste, wie man kämpfte. In diesem Moment war ich bereit, alles zu tun, was ich tun musste. Sandra war fies, aber sie war leichter und nicht so erfahren, und nach einigem Treten, Schlagen und Haarereißen, das im Nu vorbei war, saß ich auf ihr drauf und hatte sie zu Boden gedrückt. Sie knurrte und schnappte nach mir, konnte aber meinen Hals nicht erreichen, und wenn mir nichts anderes übrig blieb, würde ich ihr auch noch einen Kopfstoß verpassen.
Eine Stimme im Hintergrund rief: »Lass mich rein!« Vermutlich war das Quinn, und so schrie ich genauso laut: »Komm schon! Ich brauche Hilfe!«
Sandra wand sich unter mir, und ich wagte es nicht, meinen Griff auch nur eine Sekunde zu lockern. »Hör zu, Sandra«, keuchte ich, »halt still, verdammt!«
»Leck mich«, sagte sie erbittert und verdoppelte ihre Anstrengungen noch.
»Wirklich aufregend«, sagte eine vertraute Stimme, und als ich aufsah, stand Eric vor mir, der uns mit weit geöffneten blauen Augen interessiert zusah. Eric, wie aus dem Ei gepellt in Jeans mit Bügelfalte und gestärktem, blau-weiß gestreiftem Hemd. Sein blondes Haar glänzte und war (was ich besonders beneidenswert fand) trocken. Ich hasste ihn und war gerade in ganz schlechter Stimmung.
»Ich könnte hier Hilfe gebrauchen«, schnauzte ich, und er sagte: »Natürlich,
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