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Ball der Vampire

Ball der Vampire

Titel: Ball der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Schritt zu halten versuchte. Er suchte nach Geruchsspuren, und wir legten eine ganz schön lange Strecke zurück. Ich fühlte mich von Minute zu Minute erschöpfter, und mein Staunen schwand immer mehr, bis ich nur noch durchgefroren, hungrig und schlecht gelaunt war. Mein Hirn hätte vermutlich nicht mal mehr die Gedanken aufgeschnappt, die jemand aussandte, der direkt vor meiner Nase stand.
    Plötzlich erstarrte der Tiger und hielt die Nase witternd in die Luft. Der Kopf ging hin und her, die Ohren zuckten, als er seine Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung lenkte. Dann drehte er sich um und sah mich an. Auch wenn Tiger nicht lächeln können, war der Blick der großen Raubkatze doch eindeutig triumphierend. Der Tiger deutete mit dem Kopf nach Osten, sah mich wieder an und deutete noch einmal nach Osten. Folge mir. Klarer ging es eigentlich nicht.
    »Okay«, sagte ich und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Wir gingen Richtung Osten. Der Weg durch die Sümpfe dauerte eine Ewigkeit; erst später machte ich mir klar, dass diese »Ewigkeit« nur ungefähr dreißig Minuten lang gewesen war. Der Erdboden wurde immer fester, das Wasser ging zurück. Und schließlich hatten wir die Sümpfe hinter uns und liefen durch Wald.
    Als wir aus dem Lieferwagen flohen, hatte ich vermutet, dass wir dem Ziel unserer Kidnapper sehr nahe waren. Und jetzt sah ich, wie recht ich gehabt hatte. Wir näherten uns dem kleinen Haus, das mit der Vorderseite nach Norden auf einer Lichtung stand, von Westen und konnten daher sowohl den Hof vor dem Haus als auch den dahinter sehen. Der Lieferwagen, in dem wir gefangen gewesen waren, stand im Hinterhof. Auf dem kleinen Platz vor dem Haus stand ein mittelgroßes Auto.
    Das kleine Haus selbst war eins von denen, die in Amerika auf dem Land millionenfach zu finden sind: so eine Art Holzschachtel, braun angestrichen, mit grünen Läden vor den Fenstern und grünen Pfosten, die das Dach über der kleinen Vorderveranda trugen. Dort standen die beiden Männer aus dem Lieferwagen, Clete und George, denn auch wenn nur wenig Platz war, so bot das Dach doch etwas Schutz gegen den Regen. An der Rückseite des Hauses gab es noch eine Miniveranda, kaum groß genug für einen Gasgrill und einen Besen, die aber den Elementen ungeschützt ausgeliefert war. Und die Elemente hatten gerade so richtig ihren Spaß.
    Ich legte Quinns Kleider und Schuhe am Fuß eines Mimosenbaums ab. Der Tiger fletschte die Zähne, als er Cletes Geruch witterte. Seine langen Zähne waren genauso furchterregend wie die eines Haifisches.
    Es regnete schon den ganzen Nachmittag, und die Temperatur war gesunken. George und Clete froren in der feuchten Kühle des Spätnachmittags. Sie rauchten. In ihrer menschlichen Gestalt und von Zigarettenrauch umgeben hatten die beiden Werwölfe keinen besseren Geruchssinn als normale Menschen. Und sie schienen Quinn überhaupt noch nicht bemerkt zu haben. Denn vermutlich würden sie ziemlich heftig reagieren, wenn sie in Louisiana den Geruch eines Tigers wahrnahmen.
    Im Schutz der Bäume ging ich um die Lichtung herum, bis ich sehr dicht an dem Lieferwagen dran war. Unbemerkt lief ich hin, zur Fahrerseite. Der Wagen war nicht abgeschlossen, ich konnte den Elektroschocker auf dem Sitz liegen sehen. Darauf hatte ich es abgesehen. Ich holte tief Luft, öffnete die Tür und konnte nur hoffen, dass gerade keiner aus dem hinteren Hausfenster sah und sich für das anspringende Innenlicht interessierte. Ich griff mir das Schockgerät aus dem Durcheinander der Sitzbank und schloss die Tür so leise, wie man eine Wagentür nur schließen konnte. Der Regen schien glücklicherweise die Geräusche etwas zu dämpfen. Erleichtert seufzte ich auf, als alles gut gegangen war.
    Geduckt lief ich zurück in den Wald und kauerte mich neben Quinn.
    Er leckte mir die Wange. Die liebevolle Geste tat mir gut, trotz Tigeratem, und ich kraulte ihn am Kopf. (Einen Kuss auf sein Fell zu drücken, reizte mich irgendwie nicht.) Dann zeigte ich auf das linke Fenster des Hauses, das nach Westen ging und wohl zum Wohnzimmer gehörte. Quinn nickte weder, noch hob er zustimmend eine Pranke - was auch beides nicht besonders tigermäßig gewesen wäre. Trotzdem, ich hatte erwartet, dass er mir auf irgendeine Art grünes Licht geben würde. Doch er sah mich nur an.
    Also setzte ich leise und vorsichtig einen Fuß vor den anderen, schlich das kurze Stück vom Waldrand zum Haus und pirschte mich an das erleuchtete Fenster heran.
    Weil ich

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