Ball der Vampire
mitten im Matsch, in den Sümpfen von Südlouisiana, und der Regen prasselte auf mich nieder. Da konnte ich mich doch auch gleich erschießen...
Hey, Moment mal. Ich sah Quinn an; sah, wie sich sein Mund bewegte; hörte, dass er etwas sagte; wartete aber darauf, dass mein flüchtiger Gedanke sich in einen Zusammenhang fügte. Hätte eine Glühbirne über meinem Kopf geschwebt, wäre sie leuchtend hell aufgeblitzt. »Jesus Christus«, sagte ich ehrfürchtig. »Jetzt weiß ich, wer das war.«
Quinn ging vor mir in die Hocke. »Jetzt weißt du, wer was war? Wie viele Feinde hast du denn?«
»Zumindest weiß ich jetzt, wer uns die jungen Werwölfe in Shreveport auf den Hals gehetzt und uns gekidnappt hat«, sagte ich, ohne mich ablenken zu lassen. Wir saßen zusammengekauert wie zwei Höhlenmenschen im Regen, und Quinn hörte zu, während ich redete.
Danach diskutierten wir Wahrscheinlichkeiten.
Und dann fassten wir einen Plan.
Kapitel 22
Als er wusste, worum es ging, war Quinn nicht mehr aufzuhalten. Während ich ihm eigentlich nur folgte und versuchte, nicht im Weg zu sein, durchforschte Quinn die Gegend nach Gerüchen. Doch irgendwann hatte er das ständige Bücken satt, und so sagte er schließlich: »Ich verwandle mich.« Schnell und effizient zog er sich aus, rollte seine Kleider zu einem kompakten (wenn auch triefnassen) Bündel zusammen und gab es mir. All meine Vermutungen über Quinns Körper erwiesen sich als absolut zutreffend, stellte ich fest. Er hatte sich einfach ausgezogen, ohne zu zögern, und als er jetzt meinen Blick bemerkte, blieb er vor mir stehen und ließ sich ansehen. Und er war einen Blick wert, sogar bei diesem trüben Regenwetter. Quinns Körper war ein Kunstwerk, wenn auch ein Kunstwerk voller Narben. Ein einziges großes Muskelpaket, vom Kopf bis zu den Füßen.
»Gefällt dir, was du siehst?«, fragte er.
»Wow«, sagte ich. »Für mich siehst du so lecker aus wie das Kinder-Menü von McDonald's für einen Dreijährigen.«
Ein breites, erfreutes Lächeln trat auf Quinns Lippen. Dann kauerte er sich auf den Boden. Ich wusste, was jetzt kam. Die Luft um Quinn herum begann zu schimmern und zu wirbeln, und von diesem Dunst umhüllt begann er sich zu verwandeln. Wellen gingen durch seine Muskulatur, deren Strukturen sich in einer einzigen fließenden Bewegung auflösten und neu formten, Knochen änderten ihre Form, Fell breitete sich auf der Haut aus. Das Geräusch dabei war schauderhaft. Es klang irgendwie zäh, klebrig, als würde jemand eine dicke Flüssigkeit umrühren, in der viele kleine, harte Teile steckten.
Und schließlich stand ich einem Tiger gegenüber.
Quinn war nicht nur ein prachtvoller nackter Mann gewesen, er war auch ein ebenso schöner Tiger. Sein Fell war tieforange und von schwarzen Streifen durchzogen, mit weißen Flecken am Bauch und im Gesicht. Seine Augen standen schräg und waren golden. Er war ungefähr zwei Meter lang und hatte eine Schulterhöhe von mindestens einem Meter. Ich staunte nicht schlecht, wie groß er war. Seine Pranken waren groß wie Essteller. Die runden Ohren waren richtig niedlich. Lautlos kam er auf mich zu, mit einer Anmut, die bei einer solch massigen Gestalt ganz unvermutet war. Er rieb seinen großen Kopf an mir, was mich beinahe zu Boden warf, und schnurrte. Ein Geräusch, das an einen glücklichen Geigerzähler erinnerte.
Sein dichtes Fell fühlte sich ölig an und war vermutlich ziemlich wasserabweisend, dachte ich. Er gab ein kurzes heiseres Brüllen von sich, und eine unnatürliche Stille breitete sich aus. Wer hätte gedacht, dass die Wildtiere in den Sumpfgebieten von Louisiana den Laut des Tigers erkennen würden? Aber sie taten es, verstummten umgehend und verkrochen sich.
Tiere halten wir ja oft nicht so sehr auf Abstand wie Menschen, und so kniete ich mich neben den Tiger, der Quinn gewesen war und auf eine gewisse magische Weise auch immer noch Quinn war, und legte ihm die Arme um den Hals. Es war etwas beunruhigend, wie sehr er nach einem echten Tiger roch, und ich zwang mich zu dem Gedanken, dass er ja auch ein echter Tiger war, nur eben mit Quinn in sich drin. Und dann setzten wir unseren Weg durch den Sumpf fort.
Leicht konsterniert sah ich, dass der Tiger erst mal sein neues Territorium markierte - nicht gerade das, was man von seinem Freund erwartet -, aber es wäre albern gewesen, sich darüber aufzuregen. Außerdem hatte ich genug, worüber ich nachdenken musste, während ich mit dem Tiger
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