Ball der Vampire
Leiche in ihrem Schrank. Wie es dazu kam, weiß ich auch nicht. Deshalb macht Amelia heute Nacht ja diese Ekto-Sache.«
Der Gesichtsausdruck der Königin veränderte sich, jetzt wirkte sie tatsächlich interessiert. »Sie macht eine ektoplasmische Rekonstruktion? Ich habe schon davon gehört, bin aber noch nie bei einer anwesend gewesen.«
Der König wirkte mehr als nur interessiert. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte er extrem wütend.
Ich zwang mich, mich wieder auf die Königin zu konzentrieren. »Amelia lässt anfragen, ob Sie vielleicht die, äh, Finanzierung übernehmen würden?« Hätte ich noch »Hoheit« oder so was anfügen müssen? Nein, dazu konnte ich mich einfach nicht durchringen.
»Das dürfte eine lohnende Investition sein, da unser neuester Vampir uns alle in größte Schwierigkeiten hätte bringen können. Wenn er auf die Öffentlichkeit losgelassen worden wäre... diese Rekonstruktion zahle ich gern.«
Erleichtert atmete ich auf.
»Und ich werde auch zusehen«, fügte die Königin hinzu, ehe ich noch ausgeatmet hatte.
Das klang wie die schlimmste Idee der Welt. Die Anwesenheit der Königin würde Amelia sicher vollkommen plätten, bis alle Magie aus ihr herausgequetscht wäre. Allerdings konnte ich der Königin unmöglich sagen, dass sie nicht willkommen war.
Peter Threadgill hatte mit scharfem Blick aufgesehen, als die Königin verkündet hatte, dass sie zusehen wolle. »Ich finde, das solltest du nicht tun«, sagte er sanft, aber gebieterisch. »Es ist für die Zwillinge und Andre viel zu schwierig, dich in einer solchen Gegend zu schützen.«
Woher wollte der König eigentlich wissen, in welcher Gegend Hadley gewohnt hatte? Es war eine ganz ruhige Mittelklasse-Gegend, vor allem im Vergleich zu dem Zoo dieser Vampir-Residenz hier, mit dem ständigen Strom an Touristen, Protestierenden und Fanatikern mit Kameras.
Sophie-Anne bereitete sich bereits zum Ausgehen vor. Diese Vorbereitung bestand in einem Blick in den Spiegel, mit dem sie prüfte, ob die makellose Fassade immer noch makellos war. Dann schlüpfte sie in Schuhe mit sehr, sehr hohen Absätzen, die unter dem Tisch gestanden hatten. Offensichtlich hatte sie barfuß am Tisch gesessen. Dieses Detail ließ mir Sophie-Anne Leclerq gleich sehr viel realer erscheinen. Es gab also doch eine Persönlichkeit unter dieser glänzenden Oberfläche.
»Sie wünschen vermutlich, dass Bill uns begleitet«, sagte die Königin zu mir.
»Nein«, fauchte ich.
Okay, es gab eine Persönlichkeit - aber sie war unerfreulich und grausam.
Die Königin wirkte aufrichtig überrascht. Ihr Ehemann war empört über meine Grobheit - ruckartig hob er den Kopf und fixierte mich mit einem vor Wut glühenden Blick aus den seltsam grauen Augen. Die Königin aber war einfach erstaunt über meine Reaktion. »Ich dachte, Sie seien ein Paar«, sagte sie in absolut ruhigem Ton.
Ich schluckte meine erste Antwort hinunter und versuchte mir noch einmal klarzumachen, mit wem ich hier sprach. Schließlich sagte ich fast flüsternd: »Nein, das sind wir nicht.« Ich holte einmal tief Luft und riss mich zusammen. »Ich entschuldige mich für meine Unhöflichkeit. Verzeihen Sie.«
Die Königin sah mich einfach ein paar Sekunden lang an, und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, welche Gedanken, Gefühle oder Absichten sie hegte. Es war, als betrachtete ich ein antikes Silbertablett - mit kunstvollen Mustern auf der Oberfläche, aber hart und kalt, wenn man es berührte. Woher Hadley den Mut genommen hatte, mit dieser Frau ins Bett zu gehen, war mir ein Rätsel.
»Ich verzeihe Ihnen«, sagte sie schließlich.
»Du bist zu nachsichtig«, bemerkte ihr Ehemann, und auch seine Oberfläche schien etwas durchlässiger zu werden. Er verzog den Mund, dass es beinahe wie ein Zähnefletschen wirkte, und ich wollte keine Sekunde länger diesen glühenden Blick auf mich gerichtet haben. Wie die Asiatin in Rot mich ansah, gefiel mir auch nicht. Und jedes Mal, wenn ich ihre Frisur ansah, überlief es mich kalt. Herrgott, selbst die ältere Dame, die meiner Großmutter dreimal im Jahr eine Dauerwelle gelegt hatte, hätte es besser gemacht als der Schnitter, der diesen Haarschnitt verbrochen hatte.
»In ein oder zwei Stunden bin ich zurück, Peter«, sagte Sophie-Anne sehr deutlich und in einem Ton, der einen Diamanten in Scheibchen geschnitten hätte. Der kleine Mann mit dem kindlichen, ausdruckslosen Gesicht eilte im Nu an ihre Seite und reichte ihr den Arm, um ihr beim Aufstehen
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