Ball der Versuchung
Wahrscheinlich nicht. Das ist Morganville - hier wurde das Prinzip der Geheimniskrämerei regelrecht erfunden. Aber ich bin mir ziemlich sicher, das sie, wozu auch immer sie gut ist, nicht für den menschlichen Konsum gedacht ist.«
Mehr wollte Claire am Telefon nicht besprechen, ganz gleich wie freundlich er wirkte. Mit einer raschen Entschuldigung legte sie auf und rief Amelie an. Sie hatte vor, eine Nachricht zu hinterlassen, und damit wäre es wahrscheinlich erledigt, dachte sie.
Aber Amelie ging ans Telefon. Claire stotterte, holte tief Luft und erzählte ihr von Dr. Mills und seiner Bitte.
»Ich hätte es dir gestern Abend schon sagen sollen. Ich habe beschlossen, deiner Bitte um zusätzliche Ressourcen für dieses Projekt zu entsprechen«, sagte Amelie. »Dr, Mills ist ein vertrauenswürdiger Experte, ein langjähriger Bewohner dieser Stadt, nicht so voreingenommen ist wie andere. Außerdem ist er in der Lage, unsere Geheimnisse zu hüten, und das ist absolut zwingend. Du verstehst, warum.«
Claire verstand nur allzu gut. Die Kristalle waren eine Droge, die Auswirkungen einer degenerativen Krankheit milderten, an der die Vampire litten - einer Krankheit, von der sie alle betroffen waren und die sie der Fähigkeit beraubte, sich zu reproduzieren. Amelie war noch am stärksten, aber auch sie war krank. Die schlimmsten Fälle waren verrückt geworden und im Untergrund und von Morganville weggeschlossen.
Bisher wussten nur wenige der Vampire von der Krankheit. Wenn sie dahinterkämen, würden sie vielleicht wahllos um sich schlagen und anderen die Schuld dafür in die Schuhe schieben. Vermutlich unschuldigen Menschen.
Die Verbreitung dieses Wissens unter der menschlichen Bevölkerung hätte vermutlich ebenso verheerende Auswirkungen. Wenn sie wüssten, dass die Vampire nicht mehr unbesiegbar sind, wie viele von ihnen würden dann noch ernsthaft kooperieren? Amelie hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass dies Morganville zugrunde richten könnte, und Claire war sich ziemlich sicher, dass sie damit recht hatte.
»Aber … er möchte Myrnins Labor sehen«, sagte Claire. Myrnin, ihr Mentor und manchmal auch ihr Freund, war dem Wahnsinn anheimgefallen und saß nun in einer der Zellen. Manchmal war er klar und manchmal gefährlicherweise überhaupt nicht. »Soll ich ihn dorthin bringen?«
»Nein. Sag ihm, dass du ihm alles, was er braucht, ins Krankenhaus bringst. Ich möchte nicht, dass außer dir noch ein Mensch ins Labor kommt, Claire. Es gibt Geheimnisse, die gewahrt werden müssen, und ich verlasse mich darauf, dass du dafür sorgst. Beschränke die Forschungen darauf, die Formel, die ihr bereits gefunden habt, zu verfeinern und zu verbessern.« Was Amelie auf ihre königlich-kühle Art sagen wollte, war, dass es für Claire tödlich enden würde, wenn sie etwas ausplauderte. Oder noch schlimmer.
»Ja«, sagte Claire schwach. »Ich verstehe. Wegen meinen Eltern... „
»Ihre Sicherheit ist ausreichend«, sagte Amelie. Das war nicht dasselbe, als wenn sie gesagt hätte, sie seien in Sicherheit. »Du wirst Mr Bishop fürs Erste nicht begegnen. Solltest du seine beiden Begleiter treffen, sei höflich, aber hab keine Angst. Sie sind gut unter Kontrolle.«
Vielleicht für Amelies Maßstäbe. Claire machte sich da schon mehr Sorgen. »Okay«, sagte sie zweifelnd. »Wenn irgendetwas passiert... „
»Besprich das mit Oliver«, sagte Amelie. »Seltsamerweise haben sich unsere Differenzen drastisch verringert, seit mein alter Herr zu Besuch ist. Es geht doch nichts über einen gemeinsamen Feind, wenn es darum geht, zankende Nachbarn zusammenzuschweißen.« Sie machte eine kleine Pause, dann sagte sie, beinahe verlegen: »Du und deine Freunde? Geht es euch gut?«
Machen wir jetzt schon Smalltalk? Claire fröstelte. »Ja, uns geht es gut. Vielen Dank.«
»Gut.« Amelie legte auf. Claire formte mit ihren Lippen ein stummes Oooo-kay und steckte das Handy wieder in die Tasche.
Als sie ging, sah sie Eve an der Espressomaschine stehen, sie starrte beim Arbeiten mit leerem Blick auf die Hebel vor sich. Das glückliche Strahlen war nicht wieder zurückgekehrt. Vielmehr sah sie finster aus. Und ängstlich.
Verdammt. Warum habe ich ihr so den Tag verdorben? Ich hätte einfach davonjagen sollen, den kleinen Psycho.
Claire warf einen Blick auf ihre Uhr, schnappte sich ihren Rucksack und eilte zur Laborstunde.
***
Später am Nachmittag suchte sie Dr. Mills in seinem Büro im Krankenhaus auf. Er war eher der
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