Ball der Versuchung
in Myrnins unmittelbare Reichweite zu bringen, ließ sie schaudern. »Ich werde das prüfen«, versprach sie und stand auf. »Tut mir leid, es ist schon spät. Ich muss... „
Dr. Mills warf einen Blick aus dem Fenster seines Büros. Draußen vor den Jalousien verdunkelte sich der Himmel gerade von verwaschenem Jeansblau zu Indigo. »Natürlich. Ich verstehe. Hier ist eine Probe der neuen Kristalle. Aber sieh zu, dass du an grundlegende Daten kommst, bevor du sie ihm gibst - am wichtigsten ist eine Blutprobe.«
»Eine Blutprobe«, wiederholte sie. Er öffnete eine Schublade und reichte ihr eine kleine, versiegelte Packung. Sie enthielt eine Spritze, Wattetupfer, Alkohollösung und einige Vakuumröhrchen. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Ich habe nicht gesagt, dass es nicht schwierig werden könnte, aber solange ich nicht mitkommen kann, um es zu tun...«
Sie konnte vieles, aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie Myrnin nicht festhalten und ihm eine Nadel in die Vene jagen konnte. Nicht wenn er... sich gerade verändert hatte.
Sie nahm die Packung und steckte sie in ihren Rucksack. »Sonst noch etwas?«
Dr. Mills reichte ihr eine Waffe - eine Betäubungswaffe. Er öffnete sie hinten, um ihr das weiche Ende des Röhrchens zu zeigen. »Sie ist mit einer Dosis geladen«, sagte er. »Ich habe nur wenige hergestellt - es dauert seine Zeit, sie zu destillieren. Hier sind noch mal zwei, falls du sie brauchst.« Als sie die Waffe in ihrem Rucksack verstaute, sagte er: »Das wurde noch nie getestet. Sei also vorsichtig. Ich glaube , es ist stärker und hält länger an, aber ich bin nicht sicher, welche Nebenwirkungen das hat.«
»Und die Kristalle?«
Er reichte sie ihr ebenfalls. Sie sahen ein wenig feiner aus als die, die sie selbst hergestellt hatte - eher wie Rohzucker. Sie wanderten auch in den Rucksack.
»Claire« sagte er, als sie ihre Last schulterte. »Hast du irgendwelche Gerüchte über einen neuen Vampir in der Stadt gehört?«
Sie erstarrte. Licht fiel auf ihr goldenes Armband mit Amelies Symbol, sodass es glitzerte - nicht dass sie eine Gedächtnisstütze gebraucht hätte.
»Nur Michael«, sagte sie. »Aber das ist ja nichts Neues.«
»Ich habe gehört, dass Fremde gekommen sind.«
Claire zuckte die Achseln. »Da haben Sie wohl etwas Falsches gehört.«
Sie ging, bevor sie gezwungen war, weiter zu lügen. Sie konnte es sich nicht verkneifen, sich noch einmal zu ihm umzuschauen. Er nickte und lächelte zum Abschied.
Sie fühlte sich schlecht, aber mehr von der Wahrheit konnte sie unmöglich preisgeben, nicht einmal jemandem, der eine Empfehlung von Amelie hatte.
***
»Hast du das Hackfleisch mitgebracht?«
Claire hatte noch nicht einmal Zeit, ihren Rucksack im Flur auf den Boden fallen zu lassen, als Eve um sie herumschwirrte wie eine dunkle, koffeingeladene Hornisse, die mit einem hölzernen Kochlöffel herumfuchtelt.
»Äh … was?«
»Hackfleisch. Ich hab dir eine SMS geschickt.«
Uups. Claire zog ihr Handy heraus und sah, dass tatsächlich ein SMS-Symbol aufleuchtete. »Hab ich nicht gesehen. Tut mir leid.«
»Mist.« Eve drehte sich um und stapfte den Flur entlang, wobei ihr mit ihren Doc Martens die Unversehrtheit des Holzbodens herzlich egal war. »Michael! Weißt du was? Du musst den Laufburschen machen!«
Michael spielte Gitarre - etwas Schnelles, Kompliziertes. Er hielt immer wieder inne, was untypisch für ihn war, und er ignorierte Eve, was ebenfalls ungewöhnlich war. Als Claire um die Ecke bog, sah sie ihn am Esstisch stehen und Noten auf ein Blatt Papier mit Notenlinien kritzeln.
Sie stellte fest, dass er Eve nicht ignorierte, sondern ihr einfach nicht gehorchte. »Ich bin beschäftigt«, sagte er, blickte finster auf das Blatt und spielte dieselbe Passage wieder und wieder. Dann schüttelte er frustriert den Kopf und radierte einige Noten auf dem Papier aus. »Geh doch mit Shane.«
»Ich koche!«, Eve rollte mit den Augen. »Kreative Menschen. Sie glauben, die Welt hört auf, sich zu drehen, wenn sie am Nachdenken sind.«
»Ich werde es holen«, sagte Claire. Sie wollte sich die Gelegenheit, mit Shane allein zu sein, einfach nicht entgehen lassen, selbst wenn es um so etwas Langweiliges wie eine Fahrt zum Vierundzwanzig-Stunden-Supermarkt ging. »Es ist sowieso besser, wenn ich das mache. Immerhin habe ich den Passierschein.« Sie hielt das Armband hoch.
Michael riss sich einen Moment lang von der Musik in seinem Kopf los und warf ihr einen finsteren Blick zu. Dann
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