Ball der Versuchung
sich dort Schatten bewegten, aber sie hörte nichts.
Die Lichter gingen aus.
»Nein«, flüsterte sie und Angst schwappte über sie hinweg wie ein Eimer Eiswasser. Sie griff blind mit der Hand nach vorne und strich über die verschlossene Tür. »Nein, tun Sie das nicht...«
Etwas war anders an Amelie. Sie war nicht mehr die kühle, distanzierte Königin, die sie früher war. Sie hatte etwas... Tierisches. Sie war zorniger.
Und endlich gestand Claire es sich selbst ein: Amelie war hungriger.
»Bitte«, sagte sie in die Dunkelheit. Sie wusste, dass dort Ohren waren, die sie hörten. »Bitte lassen Sie mich jetzt gehen.«
Sie hörte ein scharfes Klicken; die Tür bewegte sich unter ihren Fingerspitzen und schwang ein paar Zentimeter nach innen. Claire ergriff mit beiden Händen die Kante und zog sie auf. Unvermittelt stand sie im Flur, und als sie sich umwandte, fiel die Tür hinter ihr gerade zu.
Zitternd ließ sie sich gegen die Wand fallen.
Das lief ja gut , dachte sie sarkastisch. Sie wollte schreien, aber sie war sich sicher, dass das eine sehr, sehr schlechte Idee wäre.
Unten öffnete sich die Haustür und schloss sich wieder. Claire hörte das Klappern schwerer Schuhe auf dem Holzfußboden.
»Eve?«, rief sie.
»Ja.« Eve klang erschöpft. »Ich komme.«
Sie sah noch schlimmer aus, als sie sich anhörte. Das rote Outfit, das ihr zuvor so geschmeichelt hatte, wirkte jetzt grell und übermächtig an ihr; sie sah aus, als wäre sie kurz vor dem Umfallen, und was den Zustand ihres Make-ups betraf, schien sie schon eine Menge Tränen vergossen zu haben.
»Oh«, sagte Claire. »Eve... „
Eve bemühte sich um ein Lächeln, aber es gelang ihr nicht so richtig. »Ziemlich bescheuert, sich über Monica aufzuregen, oder? Aber ich glaube, deshalb tut es so verdammt weh. Es ist ja nicht so, dass er eine mitnimmt, die einigermaßen nett ist oder so. Er musste sich ausgerechnet diese Pest auf zwei Beinen aussuchen.« Eve wischte sich die Tränen mit dem Handballen ab. Ihr Eyeliner und ihre Mascara hatten ein richtiges Gotha-Schlamassel angerichtet und bildeten schmutzige Schlieren auf ihren blassen Wangen. »Fang jetzt nicht an, mir zu erklären, dass ihm das befohlen wurde. Das ist mir schnuppe - er hätte es mir vorher sagen können. Und warum widersprichst du mir jetzt nicht?«
»Weil du recht hast«
»Verdammt richtig, dass ich recht habe« Eve trat gegen ihre Zimmertür, ging hinein und warf sich mit dem Gesicht nach unten auf das schwarze Bett. Claire machte die Lichter an: überwiegend gedämpfte weiße Weihnachtslichterketten sowie eine Lampe, über die ein blutroter Schal drapiert war. Eve schrie in ihr Kissen und schlug darauf ein. Claire ließ sich auf der Bettkante nieder.
»Ich werde ihn umbringen«, sagte Eve, zumindest klang es durch das Kissen danach. »Ich werde ihm einen Pfahl ins Herz rammen, ihm Knoblauch in den Hintern schieben und... und... „
»Und was?«
Michael stand in der Tür. Claire sprang erschrocken vom Bett hoch und Eve setzte sich auf, wobei sie mit beiden Händen das Kissen umklammerte. »Wann bist du nach Hause gekommen?«, fragte Claire.
»Offensichtlich gerade noch rechtzeitig, um die Pläne für meine Beerdigung zu hören. Mir gefällt vor allem das mit dem Knoblauch im Hintern. Es ist... anders.«
»Ja, genau, ich bin noch nicht fertig«, sagte Eve. Sie ließ das Kissen los und trat Michael mit verschränkten Armen gegenüber. »Ich werde dich außerdem draußen in der Sonne pfählen, auf einem Feuerameisenhaufen. Und dabei werde ich lachen.«
Was habe ich denn getan?«
»Was du getan hast?« Eve blitzte ihn so wild an, dass es selbst einem Vampir das Herz aus der Brust reißen musste. »Das kann jetzt nicht dein Ernst sein.«
Michael wurde sehr still und Claire fand, dass man an seinen Augen klar und deutlich erkennen konnte, dass er ertappt war. »Monica. Sie hat es dir gesagt.«
»Wer hätt's gedacht. Warum sollte sie nicht die Chance nutzen, es mir unter die Nase zu reiben, du Loser? Und wo wir gerade davon sprechen, Monica? Hast du eine Wette verloren oder was? Denn sonst fällt mir wirklich kein einziger Grund ein, weshalb du mich so demütigen könntest.«
»Nein«, sagte Michael. Sein Blick flackerte hinüber zu Claire, darin lag die unmissverständliche Bitte, sie möge hinausgehen. Das tat sie aber nicht. »Ich kann es nicht erklären, Eve. Es tut mir leid, ich kann es einfach nicht. Aber es ist nicht so, wie es...«
»Sag jetzt nicht, es ist nicht
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