Ball der Versuchung
wahr?«
Sie antwortete nicht. Sein Blick zuckte zurück zu ihr, er war klar und sehr, sehr konzentriert. »Ich habe nie einen Hehl aus meinem Machthunger gemacht, Claire. Ich mag Amelie nicht, und ihr liegt auch nichts an mir, aber unsere Spielchen waren immer ehrlich. Wir kennen die Regeln und halten uns daran. Aber Bishop... Bishop ist jenseits aller Regeln. Er würde unser Spielbrett nehmen und komplett umwerfen. Und das kann ich nicht haben. Noch nicht einmal, wenn ich dabei Gewinne machen würde.«
Schließlich ging Claire ein Licht auf. »Bishop hat versucht, Sie zu rekrutieren. Gegen Amelie.« Claires Blut näherte sich um ein paar Grad dem Gefrierpunkt. »Sie konnten es ihr nicht direkt sagen. Deshalb wollten Sie, dass Jason es mir sagt, und ich sollte es ihr ausrichten.«
»Dazu ist es jetzt zu spät. Alles steuert zu schnell dem Abgrund zu. Es liegt nicht in meiner - oder ihrer - Macht, es aufzuhalten. Und schon gar nicht in deiner, Claire.«
Claire merkte, dass sie krampfhaft die Tischkante umklammerte, und ließ los. Ihre Finger schmerzten vom Druck. »Worüber haben Sie mit Eve gesprochen?«
Olivers Blick war auf sie geheftet und er sagte: »Sie begleitet mich zum Fest.»
Eve ging zum Maskenball. Mit Oliver.
Claire lehnte sich zurück und wusste einen Augenblick lang nicht, was sie sagen sollte, aber dann dämmerte ihr mit einem Mal, was das bedeutete. »Weiß Michael davon?«
»Das ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Es liegt an Eve, ob und wie sie ihm das erklärt; es geht mich nichts an. Ich glaube, ich habe dir jetzt genug bei deinen Nachforschungen geholfen, Claire. Aber wenn ich dir einen Rat geben darf...« Oliver beugte sich vor, sodass er komplett der Sonne ausgesetzt war. Er zuckte nicht zusammen, aber seine Pupillen zogen sich zusammen, bis sie kaum noch vorhanden waren, und seine Haut nahm eindeutig einen Rosastich an. »Bleib morgen zu Hause. Mach Fenster und Türen zu, und wenn du gläubig bist. Würde das eine oder andere kleine Gebet nicht schaden.«
Es war so überraschend. dass er das sagte, deshalb hätte Claire beinahe gelacht. »Ich soll beten? Für wen? Für Sie etwa?«
Oliver blinzelte nicht. »Es wäre sehr tröstlich«, sagte er, »wenn du das tun würdest. Ich glaube, das hat schon lange niemand mehr für mich getan.«
Er stand auf und ging. Claire blieb noch eine Weile sitzen, starrte hinaus ins nachmittägliche Sonnenlicht und nippte an einem längst erkalteten Moccacino. der nach nichts mehr schmeckte. Als ein Grüppchen großer, versnobter Sportler nicht allzu höflich fragte, ob sie den Tisch noch brauche, ging sie, ohne zu protestieren. Sie machte einen Spaziergang und folgte dem Straßenverlauf, ohne wirklich darauf zu achten, sie war oder wohin sie ging.
All diese Menschen . Sie hatte sich inzwischen von der Meute der College-Studenten entfernt und sah die Einheimischen von Morganville, die den Sonnenschein auf alle erdenkliche Arten ausnutzten - sie sonnten sich, arbeiteten im Garten, strichen ihre Häuser an.
Und wenn Oliver recht behielt, könnte morgen alles vorbei sein. Wenn es Bishop gelang, Amelie das Heft aus der Hand zu nehmen...
Claire bemerkte erschrocken, dass sich die Sonne dem Horizont näherte, und machte an der nächsten Querstraße kehrt, um nach Hause zu gehen. Sie kam dort an, als der Tag offiziell in seiner Spätnachmittagsphase war, auch wenn sich die Dämmerung schon ausbreitete; als sie das Gartentor öffnete und den Weg hinaufging, bemerkte sie, dass jemand auf den Stufen vor dem Haus saß und sie erwartete.
Shane.
»Hey«, sagte er.
»Hey«, gab sie zurück und setzte sich neben ihn. Er ließ seinen Blick über die Straße und gelegentlich vorbeifahrende Autos schweifen. Eine Brise zerraufte sein Haar und das Sonnenlicht ließ seine Haut aussehen, als hätte sie einen leicht goldenen Anstrich.
Meine Güte, er war so... perfekt. Und der Blick in seinen Augen brach ihr das Herz.
»Nun«, sagte Shane. »Ich habe mir gedacht, wir sollten heute Abend ausgehen.«
»Ausgehen?«, wiederholte sie verständnislos. »Wohin?«
Er zuckte die Achseln. »Egal. Kino. Essen. Ich würde dich ja auf eine Sauftour durch die hiesigen Kneipen mitnehmen, aber dein Dad könnte mich dafür umbringen.« Shane schaute sie ein paar Sekunden lang an, dann starrte er wieder geflissentlich ins Leere. »Ich möchte einfach nur den Abend mit dir verbringen, egal was wir machen.«
Weil morgen alles anderes werden könnte. Es war das gleiche unheimliche
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