Ball der Versuchung
Gefühl, das Claire beschlichen hatte, als sie durch die Stadt gegangen war: Das Gefühl, dass die Welt untergehen würde und nur wenige eine Ahnung davon hatten, was auf sie zukam.
»Gibt es einen Ort, zu dem du schon immer mal gehen wolltest?«, fragte Claire.
»Klar. Mein Lieblingsort ist Alles-außer-hier. Oder meinst du in Morganville?« Er war einen Moment lang still, als hätte ihn die Frage überrascht. »Vielleicht. Bereit für eine kleine Autofahrt?«
»In wessen Wagen?«
»Eves.« Er hielt die Autoschlüssel hoch und klimperte damit. »Ich habe einen Deal mit ihr ausgehandelt. Ich bekomme an zwei Abenden in der Woche das Auto; ich übernehme an zwei Tagen ihren Teil der Hausarbeit.«
»Die Sonne geht unter«, fühlte sich Claire verpflichtet zu erwähnen.
»So ist es.« Er klimperte noch einmal mit den Autoschlüsseln. »Und?«
Eigentlich wusste er schon, wie die Antwort ausfallen würde.
Sie fuhren zu einem Restaurant in der Nähe der vampirreichen Innenstadt, das lange geöffnet hatte, aber trotzdem weit genug davon entfernt war, um überwiegend menschliche Kundschaft zu haben. Es gab eine Lounge mit Tanzfläche und eine Jukebox, die Oldies spielte. Shane trank ein Bier, für dessen Bestellung er eigentlich zu jung war. Claire trank Cola und sie gaben eine ganze Rolle Fünfundzwanzig-Cent-Stücke aus, um sich einen Song nach dem anderen auszusuchen.
»Verdammt, das ist der größte iPod, den ich je gesehen habe«, sagte Claire, woraufhin sich Shane fast an seinem Bier verschluckte. »War nur ein Scherz. Das ist nicht die erste Jukebox, die ich sehe.«
»Ich bin mir da nicht so sicher, so wie du sie fütterst... Meinst du, du hast genug Songs ausgesucht?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Wie viele würde man brauchen, damit sie die ganze Nacht spielt?«
Er stellte sein Bier auf den Tisch, legte die Arme um sie und sie wiegten sich gemeinsam, während sie Lied um Lied hörten.
Und um sie herum wurde es in Morganville allmählich ruhig.
10
Der Samstag dämmerte kühler und windiger, mit einem kalten Hauch, der wie Metall die Luft zerschnitt.
Shane und Claire kamen noch vor Tagesanbruch nach Hause, sie waren erschöpft, aber zufrieden. Sie hatten getanzt, bis das Lokal zugemacht hatte, dann waren sie losgefahren und hatten irgendwo geparkt. Es war super gewesen und dringlich; Claire wünschte fast schon, es wäre weitergegangen... wenigstens bis auf den Rücksitz.
Aber Shane hatte sein Wort gehalten, ganz egal, wie frustrierend es für sie beide war, und das fand sie eigentlich gut.
Trotzdem wollte sie ihm einfach nur die Klamotten ausziehen, sich mit ihm ins Bett stürzen und niemals wieder daraus auftauchen. Aber an ihrer Zimmertür küsste er sie und der Ausdruck in seinen Augen sagte ihr, dass er sich selbst nicht über den Weg traute, was sie betraf.
Nicht heute Nacht. Selbst wenn sich die ganze Welt veränderte.
Kurz vor der Dämmerung schlief Claire ein und verpasste den Sonnenaufgang. Und das Mittagessen. Sie wachte erst auf, als der Nachbar seinen monströsen, gasbetriebenen Rasenmäher anwarf, um ein letztes Mal in dieser Saison zu mähen. Es klang, als würde er mit einem Düsentriebwerk arbeiten, und egal wie viele Kissen sich Claire über den Kopf zog, es half nichts.
Im Haus herrschte eine unheimliche Stille. Claire warf sich den Morgenmantel über und schlurfte durch den Flur ins Bad. Auf dem Weg klopfte sie leise an Eves Tür, bekam aber keine Antwort. Ebenso wenig an den Zimmertüren von Shane und Michael. Sie nahm die schnellste Dusche aller Zeiten und ging nach unten, wo sie... niemanden antraf. Kein Michael, kein Shane, keine Eve. Und keine Nachricht. In der Kaffeemaschine war noch Kaffee, aber er war längst zu einer üblen Brühe verkocht.
Claire setzte sich an den Küchentisch und suchte nach Nummern in ihrem Handy. Eve ging nicht dran und bei Michael erreichte sie nur die Mailbox. Bei Shane ebenfalls.
»Hey«, sagte Claire, als seine aufgezeichnete Stimme ihr riet, eine Nachricht zu hinterlassen. »Ich... ich hatte einfach gehofft, dich zu sehen. Heute Morgen, weißt du? Aber … hör mal, kannst du mich bitte anrufen? Ich möchte dich sprechen. Bitte.«
Sie fühlte sich so einsam, dass ihr Tränen in den Augen brannten. Das Fest. Es ist heute .
Alles würde anders werden.
Sie zuckte zusammen, als es an die Tür klopfte, und sie schaute lange durch das Fenster, bevor sie die Tür einen Spalt öffnete. Sie ließ die Sicherheitskette eingehakt. »Was
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