Ballade der Leidenschaft
Sattelkammer.
„Du hast nicht zufällig auch einen Sattel zu vergeben?“
Erst zwei Tage später gelang es ihm, Rose zu überreden, auf die Stute zu steigen, und das auch nur, weil sie aufbrechen wollte. Rittlings saß sie auf Pechs Rücken, umklammerte den Sattel, den Ben dem Reitknecht abgeschwatzt hatte, so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, und sah ängstlich auf das Kopfsteinpflaster herunter. Ihr Rock war bis fast zu den Schenkeln hochgerutscht, aber weil er unverhohlenes Entsetzen in ihrer Miene las, hielt er es für besser, sie nicht darauf hinzuweisen.
Er stand neben ihrem Knie, hielt die Stute am Zügel und brachte Roses Beine in die richtige Stellung. „ So muss es sein, kleine Blume.“ Seine Hände schienen ihre Beine gar nicht mehr loslassen zu wollen. Hastig trat er zurück und mimte Zuversicht.
„B…Ben?“
„Hm?“
„Der Boden ist schrecklich weit weg. Und – und er sieht so hart aus. Also, ich – ich glaube, das gefällt mir nicht.“
„Oh, du wirst es ganz fabelhaft machen“, behauptete er und betete inbrünstig, er möge recht behalten.
Dankend nickte er Morgan zu, nahm ihm Pipers Zügel ab und schwang sich in den Sattel des Wallachs. Dann rückte er das Kurzschwert in seinem Gürtel zurecht. Einem fahrenden Sänger stand es nicht zu, eine volle Ritterrüstung zu tragen, aber seit Ben für den Herzog arbeitete, verreiste er niemals ohne seine Waffe.
„Du – du hattest recht, ich hätte mir die Zeit für Reitstunden nehmen sollen“, gab Rose kleinlaut zu.
„Vielleicht. Andererseits hast du in den letzten Tagen ohnehin kaum geschlafen.“
Und das war die reine Wahrheit. Sie war so beschäftigt gewesen, dass er sie kaum gesehen hatte. Comtesse Muriel hatte darauf bestanden, dass Rose den Großteil der taghellen Stunden über dem Wandteppich zubrachte. In der restlichen Zeit nahm sie von allen Bekannten in der Stadt und der Burg Abschied. Während der letzten beiden Tage hätte sie kaum eine Gelegenheit gefunden, einen Blick auf Pech zu werfen, geschweige denn reiten zu lernen.
Ben hegte den Verdacht, dass Rose sich bewusst derart beschäftigt hielt, um sich von dem Gedanken abzulenken, dass sie Quimperlé bald verlassen würde.
„Bisher hast du immer alles sehr schnell gelernt“, fügte er hinzu. „Und unterwegs wirst du bald herausfinden, wie du dich im Sattel verhalten musst.“
Auf den Stufen des Schlosses hatte sich ein Abschiedskomitee versammelt. Ivona, Comtesse Muriel, Lady Alis … Bis zum Aufbruch würde es nicht mehr allzu lange dauern.
Dies war der Moment, den Ben gefürchtet hatte. Würden Tränen fließen? Vermutlich. Würde Rose sich anders besinnen, wenn sie sich von sämtlichen Leuten, die sie jemals gekannt hatte, trennen musste? Von allem, was ihr vertraut war? ‚Unmöglich, Ben‘, hörte er sie bereits in Gedanken sagen, so deutlich hörte er sie, als spräche sie die Worte tatsächlich aus. ‚Wie kannst du nur glauben, ich würde wirklich abreisen? Kein Wort habe ich ernst gemeint …‘
Nun erschien Anton unter dem Torbogen, der zum Marktplatz führte, begleitet von Mikaela und einigen Mädchen, deren Namen Ben vergessen hatte. Auch Denez war in den Hof gekommen. Stefan, Jafrez … All die Freunde und Freundinnen, die Rozenn zum Abschied winken wollten. Nicht Mark – dem Himmel sei Dank . Der elende Kaufmann war so dreist gewesen, in der Morgendämmerung mit einem Malven- und Ringelblumensträußchen und einem Ballen feinster Seide vor Roses Haus aufzutauchen. Seide, so zart wie Spinnweben, irisierend schimmernd, schön genug für eine Herzogin. Sobald Rose den kostbaren Stoff erblickt hatte, hatten ihre Augen aufgeleuchtet, und sie hatte Mark geküsst. Allerdings nur auf die Wange, wie Ben erleichtert feststellte. Dann hatte sie den Ballen in ihre Satteltasche gestopft, zusammen mit einem Bündel für Adam, das sie Ivona zuliebe mitnahm.
In Rozenns Gürtel steckte eine von Marks Malven, ein violetter Fleck, der sich mit dem Blau ihres Kleides biss. Und aus dem Ausschnitt ragte eine Ringelblume. Während Ben die Blumen anstarrte, merkte er, dass sie ihn beobachtete.
„Stimmt was nicht, Ben?“
„Alles in bester Ordnung. Wir müssen nur möglichst bald Handschuhe für dich beschaffen.“
„Ich sagte doch schon, für Handschuhe ist es zu heiß. Genauso wie für einen Umhang.“
Die verdammte Ringelblume des Kaufmanns zog Bens Aufmerksamkeit auf den Ausschnitt von Roses Kleid, die lockenden Rundungen ihres Busens. Nur
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