Ballade der Leidenschaft
Unter Hoëls Herrschaft war die Bretagne ein besseres Land geworden; also wusste Ben, dass er das Richtige tat.
Rose lag auf der Seite, das Gesicht ihm zugewandt. Während der Nacht hatte sich ihr Haar gelöst. Wie eine weiche braune Wolke umspielte es ihren Kopf. Ihre Lippen wirkten entspannt. Beinahe lächelten sie. Sanfte Röte färbte ihre Wangen, sie atmete ruhig und gleichmäßig.
Da der Herzog verlässliche Bande mit seinen Anhängern in England herstellen musste, brauchte er Bens Vermittlung. Es war Ben gewesen, der ihm empfohlen hatte, Adam Wymark einzubeziehen; und Ben hatte auch Adam dazu überredet, Rose einzuladen. Dadurch hatte er einen glaubwürdigen Vorwand, selbst nach England zu reisen. Als er all das in Bewegung gesetzt hatte, hatte dies sein Gewissen nicht belastet. Wieso um alles in der Welt sollte er sich jetzt schuldig fühlen, wo alles planmäßig verlief?
Rose meinte es ernst, sie wollte Quimperlé – nein, die Bretagne – tatsächlich verlassen.
Gut.
Darüber hatte sie mit Ivona gesprochen, die sich weigerte, sie in die Fremde zu begleiten, und auch der Comtesse Bescheid gegeben.
Gut.
Alles fügte sich genau so, wie er es beabsichtigt hatte. Trotzdem drehte sich ihm der Magen um. Mit Mühe bezwang Ben den Drang, aufzuspringen, das Zimmer zu durchqueren und die dunkle Haarsträhne beiseitezustreichen, die Rose über ein Auge gefallen war. Handelte er richtig?
Solche Selbstzweifel war er nicht gewohnt. Er schnitt eine Grimasse und drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände unter dem Kopf und starrte zu den rauchgeschwärzten Deckenbalken hinauf. Keinesfalls durfte Rose sich anders besinnen. Abgesehen von den Interessen des Herzogs – sie war verwitwet, und es widerstrebte Ben, sie allein in Quimperlé zurückzulassen. Insbesondere, weil Mark sie unbedingt heiraten wollte …
Schon einmal hatte sie, auf ein komfortables, gesichertes Leben erpicht, einen Kaufmann zum Mann genommen. Und das hatte zu einer Katastrophe geführt. Wenn sie derzeit auch nicht die geringste Neigung zeigte, Marks Antrag anzunehmen, ganz im Gegenteil – mit ihrem Entschluss, Per zu heiraten, hatte sie Ben eine ziemlich unangenehme Überraschung bereitet. So etwas durfte er nicht noch einmal riskieren.
Roses Ambitionen könnten sie noch einmal ins Verderben stürzen. Warum sie sich so inständig nach Respektabilität und Komfort sehnte, verstand Ben sehr gut. Das hing eindeutig damit zusammen, dass sie ein Findelkind war. Und ihr Ehrgeiz nützte ihm. Ihr Bestreben, ihr Schicksal zu verbessern, verhalf ihm zu der Rolle ihres Begleiters an die englische Küste, in der Tarnung eines harmlosen fahrenden Sängers, der sein Glück an neuen Ufern suchen wollte. Nur Rozenns Wunsch nach Sicherheit hatte es möglich gemacht, Adams Einladung mit dem Reiz eines ehrenwerten Heiratskandidaten namens Sir Richard zu versüßen.
Im Moment schien also alles plangemäß abzulaufen, und Ben musste nur sicherstellen, dass es auch so blieb. Bisher wusste man in Quimperlé nur, dass er Rose nach England eskortieren würde. Mehr nicht. Er würde sie zu – wie hieß Adams neuer Landsitz? – ach ja, zu Fulford in Wessex bringen. Und dann – und dann …
Gewiss würden sie auf der Reise einigen Leuten begegnen. Doch Ben würde auch viel Zeit mit Rose allein verbringen. Zweifellos ein erfreulicher Gedanke. Er konnte ihr diesen Teil seines Lebens zeigen. Oft genug war es ein hartes Leben. Aber es gab auch Lichtblicke. Vielleicht würde es ihr sogar gefallen. Er lächelte ein wenig.
Im Allgemeinen unterhielt er die Aristokraten und Ritter. Sie bezahlten ihn gut, verköstigten ihn großzügig und gewährten ihm ein bequemes Obdach. Es gab natürlich auch Ausnahmen. Trotzdem glaubte er, Rose stellte sich das Wanderleben schlimmer vor, als es war. Und ihm gefiel die Aussicht, ihr das mit Taten, nicht nur mit Worten beweisen zu können.
Draußen krähte ein Hahn, und Rozenn rührte sich. Über ihrem Auge hing immer noch die Haarsträhne.
So leise wie möglich schlug Ben sein Bettzeug zurück, setzte sich auf und sammelte seine Kleidung ein. Dann schlich er in die Werkstatt. Hastig zog er sich an und eilte aus dem Haus. Die Morgenluft war immer noch kühl und klar von der vergangenen Nacht. Aber am Himmel erklang bereits das Gezwitscher der Schwalben und Mauersegler. Bald würde sich sommerliche Wärme ausbreiten, und Ben brauchte keinen Umhang, während er den Hang hinabging.
Zuerst musste er in den Stallungen der
Weitere Kostenlose Bücher