Ballade der Leidenschaft
Burg nach seinem Pferd Piper sehen. Der gut gebaute braune Wallach, ein Geschenk von Herzog Hoël persönlich, war Bens ganzer Stolz, aber nicht der einzige Grund für seinen Besuch im Stall. Er musste auch mit Graf Remonds Oberreitknecht sprechen. Die Zeit drängte. Geld besaß er genug, und er konnte ein oder zwei Gefallen einfordern. Je früher er Rose aus Marks Einflussbereich entfernte, desto besser. Der Herzog brauchte sie. Und ich brauche sie. Zur Hölle mit Mark!
Welch ein seltsamer Gedanke, mit ihr auf Reisen zu gehen, Tag für Tag, Nacht für Nacht … Seine Stimmung hellte sich auf. Noch vor wenigen Monaten hätte er geschworen, nichts könnte sie jemals aus ihrer Heimat wegholen. Und jetzt hatte sich alles geändert. Ben sah nur mehr die Gefahr, dass Rose es sich unterwegs doch noch einmal anders überlegte. Nun, das musste er eben verhindern. Allzu schwierig dürfte es nicht werden.
Die Gassen waren fast leer, bis auf ein paar Hühner. Und Anton mit seinem Karren war unterwegs. An diesem Morgen beförderte er ein Weinfass bergauf, und sie nickten sich zu, während sie aneinander vorbeigingen.
„Guten Morgen.“
„Morgen, Ben.“
Bis die Sonne über den Burgmauern emporstieg, würde Ben ein Pferd für Rose beschafft haben. Schnell – so lautete das Schlüsselwort. So schnell wie möglich musste er sie von hier wegbringen, bevor Ivona ihr die Reise ausreden konnte.
Leise pfiff er vor sich hin und lächelte, als er die Pont du Port erreichte. Hoffentlich hatte Morgan, der Oberreitknecht, ein anständiges Pferd anzubieten.
Fachkundig strich Ben über das Bein einer schwarzen Stute mit sanften Rehaugen. Zusammen mit Morgan stand er in einer Box am Ende des Stalls. „Sieht gut aus. Allerdings fast zu hübsch. Glaubst du, sie kann eine erwachsene Frau mitsamt dem Gepäck einen Tag lang tragen?“
„Vorausgesetzt, sie muss nicht vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung galoppieren“, erwiderte Morgan. „Sie ist sehr kräftig. Guter Stammbaum.“
„Und ordentlich beschlagen, nehme ich an?“ Im raschelnden Stroh hob Ben einen Huf an, um ihn zu prüfen.
„Oh ja, sie wird dich nicht enttäuschen. Comte Remond konnte der Versuchung nicht widerstehen und kaufte sie für seine Gemahlin. Aber für Comtesse Muriel stellt das Tier keine Herausforderung dar; sie bevorzugt temperamentvolle, eigenwillige Hengste.“ Anzüglich zwinkerte Morgan ihm zu. „Diese Stute ist viel zu gutmütig.“
„Wie heißt sie?“
„Pech.“
„Pech?“, wiederholte Ben, ließ den Huf los und verschränkte seine Arme. „Welch ein seltsamer Name für ein Pferd. Hat sie schon jemanden abgeworfen? Ist sie etwa nicht so sanft, wie du behauptest?“
Lachend schüttelte Morgan den Kopf. „Das verstehst du falsch, Ben. Den Namen bekam die Stute wegen ihrer Farbe. Sie hat tadellose Zähne, eine gesunde Lunge und starke Beine. Sehr empfehlenswert, wenn Madame Rozenn reiten lernen will. Ein wunderbares Tier ohne verborgenen Makel …“
Ben trat vor und streichelte den glänzenden Hals des Tiers. „Nun gut. Comte Remond hat dich also angewiesen, die Stute für ihn zu verkaufen?“
Morgan nickte. „Vorausgesetzt, der Preis stimmt.“
„Ja, natürlich. Wie viel verlangst du denn?“
Freundschaftlich feilschten sie eine Zeit lang. Dann schüttelten sie einander die Hände, um das Geschäft zu besiegeln, und klirrende Münzen wurden abgezählt.
„Hoffentlich hast du recht, was Pechs Temperament betrifft“, bemerkte Ben, „und sie beißt nicht meinen Piper in die Flanken.“
Die Augen des Reitknechts funkelten. „Sorgst du dich nicht eher um Madame Rozenn als um deinen räudigen Wallach?“
„Räudig? Du wagst es, meinen Piper räudig zu nennen?“
„ Mich kannst du nicht zum Narren halten …“ Vielsagend zog Morgan die Brauen hoch. „Wann reist ihr ab?“
Ben zuckte die Achseln. „Morgen oder übermorgen.“
„Sobald du von hier wegkommst, was?“ Noch eine zweideutige Geste, die Ben ignorierte. Kleine Hänseleien zwischen Männern waren eben üblich, wenn man sich seit Jahren kannte. Und Morgan kannte ihn schon sehr lange.
Außerdem hatte der Reitknecht den Nagel auf den Kopf getroffen: Ben wollte möglichst schnell mit Rose aus Quimperlé verschwinden – nur nicht aus den Gründen, die Morgan vermutete. Wenn er Rose erst auf Pechs Rücken gelockt hatte, würden sie losreiten, ehe sie wusste, wie ihr geschah … Als Ben spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg, wies er schnell mit dem Kinn zur
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