Ballade der Leidenschaft
Vannes bis zur Hennebont-Kreuzung, von dort aus wenden wir uns nach Josselin und dann nach Rennes.“
Da der Weg breit genug war, konnten sie Seite an Seite reiten. Ben verkürzte den Führzügel, lenkte Piper näher an Rose heran, und ihre Knie streiften einander.
„Liegt Rennes auf dem Weg zum Meer?“
„Nicht direkt. Aber von da führt eine Straße zur Nordküste – eine Abkürzung unserer Reise.“
„Oh.“
„In Rennes hat Herzog Hoël sein Hauptquartier aufgeschlagen“, fuhr Ben fort. „Dort gibt es eine Münzanstalt. Gewissermaßen ist das die Hauptstadt der Bretagne. Deshalb dachte ich, du würdest sie gern sehen.“
Natürlich durfte er Rose nicht die ganze Wahrheit verraten. Abt Benoît hatte ihm einen Brief anvertraut. Den sollte Ben nach Rennes bringen und dem Herzog übergeben. Aber zweifellos hatte die Stadt einiges Interessante zu bieten: Rennes war größer als Quimperlé, und es war dort stets etwas los.
„Wie lange wird es dauern, bis wir ankommen?“, fragte Rose beiläufig.
Ben ließ sich nicht täuschen, ihre Stimme klang gepresst. Offenbar kämpfte sie mit den Tränen. „Nun, da wir uns in solchem Schneckentempo bewegen – etwa einen Monat.“
„Einen Monat!“ Erschrocken grub sie schneeweiße Zähne in ihre Unterlippe. „Das ist ein Scherz, oder?“
„Immerhin liegt Rennes über hundert Meilen entfernt. Allein würde ich es in zwei bis drei Tagen schaffen, in leichtem Trab. Aber mit meinem zusätzlichen Gepäck …“ Grinsend verstummte er.
Rose reckte ihr Kinn. „Allzu viel Zeit wird dich das zusätzliche Gepäck nicht kosten. Bis heute Abend werde ich wesentlich schneller reiten können.“
Heute Abend wirst du so steif sein wie ein Brett, dachte Ben, erwiderte aber: „Das höre ich gern.“
„Ben?“
„Hm?“
Sie betrachtete den Wald, der fast bis an die Grenzen von Quimperlé heranreichte. „Führt die ganze Strecke bis Rennes durch bewaldetes Gebiet?“
„Fast …“ Dramatisch senkte er die Stimme, als würde er zum Höhepunkt einer der Legenden kommen, die er in den Hallen der vornehmen Herrn vorzutragen pflegte. „In diesem Wald hausen Zauberer – so großartig wie Merlin.“
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, und Ben starrte sie an. Was für verlockende Lippen … Wieder einmal erwachte die heiße Sehnsucht nach einem Kuss.
„Und Hexen?“, fragte sie und zog die Brauen hoch.
„In der Tat, hier wohnt eine der wunderbarsten Hexen aller Zeiten. Ihr Name lautet Vivienne, und sie …“
Rose schüttelte den Kopf. „Wirklich, Ben, es geht mir gut. Ich will nach England reisen, und du musst mich nicht mit deinen Märchen ablenken.“ Aus ihrem Schleier hatte sich ein braunes Löckchen gelöst, und sie ließ die Zügel lange genug los, um es sich hinters Ohr zu streichen.
„Nein?“
„Nein.“
An dieser Stelle verengte sich die Straße zu einem schmalen, ungepflasterten Pfad. Bucheckern bedeckten die festgestampfte Erde. Die klappernden Hufschläge der beiden Tiere gingen in ein gedämpftes Trommeln über. Erst jetzt begann Ben sich richtig zu entspannen. Ja, sie waren unterwegs, und er durfte Roses Gesellschaft genießen, bis sie bei Adam in Wessex eintrafen. Und sie hatte Quimperlé nie zuvor verlassen. Also würde sie auf der ganzen Reise von ihm abhängig sein. Warum ihm dieser Gedanke so gut gefiel, darüber wollte er lieber nicht nachdenken.
Immer dichter standen die Bäume und überschatteten den Pfad mit einem üppigen grünen Baldachin. Buchen, Eichen, Hornbäume …
„Natürlich bin ich traurig, weil ich Abschied nehmen musste“, gestand Rose.
„Aber du fürchtest dich nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht, solange du bei mir bist.“
Da war es wieder, das quälende Schuldgefühl. Wie würde Rose reagieren, wenn sie erfuhr, dass sie zu dieser Reise überlistet worden war? Möge der Allmächtige mir beistehen …
„Diese Straßen und Wege sind mir fremd“, fügte sie hinzu, ohne zu merken, welche Wirkung ihre Worte auf ihn ausübten. „Aber du bist ständig auf solchen Straßen unterwegs, nicht wahr?“
„Oh ja.“ Nicht nur, um den Beruf eines fahrenden Sängers auszuüben … Doch sie ahnte nichts davon, wie er immer wieder die Briefe des alten Herzogs zu Abt Benoît nach Sainte-Croix gebracht hatte. Auch jetzt steckte in seiner Tunika ein Brief des Geistlichen für den neuen Herzog. Letzten Endes war Lady Alis keine große Hilfe gewesen, und der Gottesmann hatte sich als nützlicher erwiesen.
Ben
Weitere Kostenlose Bücher