Ballade der Leidenschaft
unterdrückte ein Lächeln. Bei der Beichte erzählten die Menschen eben mehr, als sich mit den Waffen einer Frau in Erfahrung bringen ließ. Da Benoît mit Hoël blutsverwandt und Alis jung und unerfahren war, fand Ben es nicht erstaunlich, dass der Abt die besseren Informationen geliefert hatte.
Den Brief musste er vor Rose verheimlichen, so wie er ihr in all den Jahren seine Tätigkeit als persönlicher Gesandter Herzog Hoëls und dessen Vorgängers, Herzog Conans, verheimlicht hatte. Anfangs waren es triviale Botschaften gewesen, die er überliefert hatte. Aber neuerdings, seit in der Bretagne Unruhen drohten und die Normannen immer ehrgeiziger wurden, enthielten die Briefe, die er beförderte, entscheidende Informationen. Um in ihren Besitz zu gelangen, würden sich Hoëls Feinde die Hände abhacken. Auch der Brief, den er jetzt bei sich trug, schien sehr wichtig. Das hatte er der Miene des Abtes entnommen. Nein, für Roses Sicherheit war es besser, wenn sie von all dem nichts wusste.
„Wie ich bereits erwähnt habe“, fuhr er fort, „liegt Rennes nicht auf direktem Weg zur Küste.“ Da Rozenn nie zuvor aus Quimperlé herausgekommen war, besaß sie wohl kaum nennenswerte Kenntnisse der Gegend. Darin bildete sie keine Ausnahme, denn die meisten Menschen entfernten sich im Lauf ihres Lebens niemals weiter als ein halbes Dutzend Meilen von ihrem Zuhause. „Um deine Angst vor dem Wasser zu berücksichtigen, sollten wir die Meerenge überqueren, nicht das offene Meer. Je weniger Zeit du auf einem Schiff verbringen musst, desto besser.“
„Oh, das schaffe ich schon … Aber ich danke dir für deine Fürsorge.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, das eher einer Grimasse glich, dann lenkte sie ihren Blick wieder auf die Ohren ihres Pferdes. „Allerdings bedeutet das, dass wir länger reiten.“
„Ja.“
Rose stöhnte.
Nun brauchte sie ein bisschen Ermutigung. Sie musste an ihre Fähigkeit glauben, reiten zu lernen. Verstohlen lockerte Ben den Führzügel, bis ihn die Länge einer Schwertklinge von ihr trennte. Das Tempo, einen stetigen Trott, würde er vorerst beibehalten. In Gedanken drückte er die Daumen und schaute zu Rose hinüber. „Bald wirst du dich so großartig machen, als wärst du im Sattel geboren.“
Ohne die Pferdeohren aus den Augen zu lassen, lachte sie kurz auf. „Das bezweifle ich.“
„So schlimm ist es?“
Noch eine Grimasse. „Nun, ich fühle mich sehr unbehaglich“, gestand sie, zupfte am Saum ihres Rocks und versuchte, ihn über ihre Knie zu ziehen. „Einfach schrecklich, dass ich so viel Bein zeige … Sicher sehe ich wie eins von Genevieves Mädchen aus.“
Langsam ließ er seinen Blick über ihre Waden und die Füße in den derben Stiefeln gleiten. „Viel besser, würde ich sagen.“
„Nicht, Ben …“ Sie errötete. „Solange nur du da bist, kann ich’s ertragen. Aber …“ Beklommen sah sie sich um. „Wenn wir anderen Reisenden begegnen, würde ich ihnen höchst unschicklich erscheinen.“
„Wirklich, Rose, du machst dich gut. Du bist sehr tapfer. Insbesondere, wenn man dein Wesen bedenkt.“
„Und was heißt das?“
Vielsagend zog er seine Brauen hoch. „Schon immer warst du jemand, der lieber zu Hause bleibt und sich um den Haushalt kümmert.“
„Und das hasst du“, murmelte sie.
Ben öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber sie wandte den Kopf ab und grub ihrer Stute die Fersen in die Flanken. Pech änderte ihre Gangart nicht. Wie Morgan es versprochen hatte, war sie ein überaus ruhiges Pferd. Gott sei Dank … Würde sie plötzlich über den nächsten Hügel galoppieren, müsste er Rose aus dem Unterholz holen – das Letzte, was er gebrauchen konnte.
Mit einiger Mühe bezwang er ein Lächeln und gestattete sich die Freude – und es war tatsächlich eine Freude –, ihr Profil zu betrachten. Seltsamerweise war ihm, als müsste er sich ihr Bild einprägen, wie sie im Halbschatten und gesprenkelten Sonnenlicht des Waldes aussah, als hätte er jahrelang darauf gewartet, sie so zu sehen. Zärtliche Gefühle erfassten ihn, während er sie bewunderte – die hohe, glatte Stirn, die langen dunklen Wimpern, die gerade Nase. Und die volle, subtil gebogene Oberlippe … Das alles war Rose, unverwechselbar Rose, und er musste sie nur anschauen, um die Anziehungskraft zu spüren – nein, etwas viel Stärkeres, auf das er nicht vorbereitet war. Eine fast schmerzhafte Sehnsucht …
Nun warf sie den Kopf in den Nacken, der Schleier flatterte. Ihre
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