Ballade der Leidenschaft
bewegt. Ich bin nur so selbstsüchtig …“ Sie ergriff Rozenns Hand und rang zitternd nach Luft. „Jahrelang habe ich mir eine Tochter gewünscht. Obwohl du nicht mein Fleisch und Blut bist – in meinem Herzen und meinen Gedanken warst du stets eine richtige Tochter. Mein Yann wusste, wie sehr ich mich nach einem Mädchen sehnte. Jede Frau braucht ein Kind, das bei ihr bleibt, wenn sie von den Jungen verlassen wird. Deshalb brachte er dich sofort zu mir, nachdem Ben dich gefunden hatte.“
„Darüber bin ich sehr froh, denn du warst die beste aller Mütter. Es fällt mir schwer, dich im Stich zu lassen. Aber …“
„Du willst zu Adam fahren.“
„Ja.“ Rozenn holte tief Atem. „Und Ben ist meine Eskorte. Das missbilligst du, maman , was ich bedaure. Gibst du mir trotzdem deinen Segen für die Reise?“
„Den hast du.“ Ivona drückte ihr die Hand. „Wenn ich dich auch nicht begleiten kann, mein liebes Mädchen, ich gebe dir meinen Segen.“
„Oh, vielen Dank!“
Ivona legte den Kopf schief, und ihr Schleier verrutschte. „Was wirst du in England machen?“
Rozenn lächelte, als ihre innere Anspannung ein wenig nachließ. „Wer weiß? Bete für mich, Maman . Vielleicht werde ich heiraten.“
„Und wen? Doch nicht Benedict?“
Rozenn zuckte bestürzt zusammen, und ihre Pflegemutter sprach rasch weiter.
„Natürlich will ich mich nicht einmischen, Liebes. Aber ich fürchte immer noch, ein Leben an der Seite dieses Troubadours wäre nichts für dich.“
Immer noch? Was meinte Ivona? Dann dachte Rozenn an Per und biss sich auf die Lippen. „Das Leben einer Kaufmannsfrau war auch nichts für mich.“
„Allerdings nicht …“ Ivona erschauerte. „Leider war Per kein guter Ehemann. Hätten wir das bloß vor deiner Hochzeit gemerkt!“
„Vergiss ihn, maman . Ich möchte jetzt nach vorn blicken. Auch deshalb will ich nach England reisen: um die Vergangenheit hinter mir zu lassen.“
„Im Ernst, Rozenn, wirst du wieder heiraten?“
„Möglicherweise.“
„Aber nicht Benedict? Du wirst Benedict nicht heiraten?“
Mühsam verdrängte Rozenn die Erinnerung an den Kuss auf dem Steg. „Nein, maman , meine Freundschaft mit Ben beruht auf anderen Gefühlen.“
„Doch du hast jemanden ins Auge gefasst.“ Ivona hob die Brauen. „Das merke ich dir an.“
Rozenn betastete ihr goldenes Kreuz. Aber sie schwieg, brachte es nicht über sich, die Worte auszusprechen. So lange hatte sie Sir Richard nicht mehr gesehen. Und obwohl Adam in seiner Nachricht erwähnt hatte, sein Freund wünsche sie zu heiraten, wollte sie nicht darüber reden, solange keine offizielle Verlobung arrangiert war. Ihr Traum von dieser Ehe würde sich erst erfüllen, wenn sie dem Ritter in die Augen schaute – wenn er formell um ihre Hand anhielt.
„Nun muss ich gehen, maman .“ Sie stand auf und glättete ihren Rock. „Sicher erwartet die Comtesse mich bereits im Sonnengemach.“
Auch Ivona erhob sich von der Bank. „Hast du ihr schon von deinen Plänen erzählt?“
Rozenn schnitt eine Grimasse. „Nein.“
„Darüber wird sie sich nicht freuen.“
„Wohl kaum. Heute Morgen werde ich ihr Bescheid geben.“ Aus einer Eingebung heraus umarmte Rozenn ihre Pflegemutter. „Komm mit mir! Bei diesem Gespräch kann ich Unterstützung gebrauchen.“
Ivona lächelte traurig. Aber sie ergriff Rozenns Hand, und sie wandten sich zur Kapellentür. „Wann wirst du abreisen?“
„In einer Woche.“
„Schon so bald?“ Ivona presste die Lippen zusammen. In ihren Augen glänzten wieder Tränen, und sie blinzelte hastig. „Immerhin habe ich noch ein wenig Zeit, um ein Päckchen vorzubereiten, das du Adam mitbringen kannst. Er vermisst bestimmt meine Quittenmarmelade.“
„Darüber wird er sich sicher freuen“, erwiderte Rozenn leichthin. „Aber schick ihm bitte nicht die halbe Bretagne, maman . Ben wollte zwar Pferde für uns mieten, aber die werden wir nicht aufs Schiff mitnehmen können. Vielleicht müssen wir nach der Landung in England zu Fuß weiterreisen, deshalb möchte ich nur das Nötigste einpacken.“
7. KAPITEL
I m nächsten Morgengrauen erwachte Ben noch vor Rose, blieb auf seiner Pritsche liegen und betrachtete sie. Ein unangenehmes Gefühl rumorte in seinem Magen, so als hätte er sauren Wein getrunken. Hoffentlich kein Schuldgefühl … Für Gewissensbisse gab es keinen Grund. Schon zuvor hatte er alte Freundschaften genutzt, um dem Herzog zu dienen, und das stets als gerechtfertigt angesehen.
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