Ballade der Leidenschaft
mühsam riss er seinen Blick von diesen Reizen los. „Wie ich bereits erklärt habe, würdest du sie zum Schutz deiner Hände tragen – und nicht, um dich zu wärmen.“
Pech begann zu tänzeln, und Rose quietschte.
„Du musst die Zügel ein bisschen lockern, chérie .“ Ben schenkte ihr ein tröstliches Lächeln. Nein, sie war sicher keine geborene Reiterin. So fest hatte sie die Zügel um eine Faust gewickelt, dass sie ihr das Blut abschnürten. Mit der anderen Hand klammerte sie sich an den Sattelknauf, als wäre das der letzte Rettungsanker, der ihren Tod verhinderte.
Erbost starrte sie Ben an. „Hast du nicht geschworen, dies sei eine ruhige Stute?“
Er nickte und schaute flehend zu Morgan hinüber. „Das hat man mir versichert. Aber du hältst sie an zu kurzen Zügeln. Lass Morgan dir helfen.“
„So ist es besser, Madame.“ Der Reitknecht regulierte die Länge von Roses Zügeln und rückte ihre Finger zurecht. „Sonst verletzt Ihr Pechs Maul.“
„Oh. Tut mir leid.“
„Vielleicht wirst du das brauchen, Ben“, murmelte Morgan und reichte seinem alten Freund einen sorgfältig zusammengerollten Lederriemen. Seine Mundwinkel zuckten. „Kostet nichts. Ein Abschiedsgeschenk.“
„Danke.“ Grinsend nahm Ben den Führzügel entgegen und zeigte ihn Rose. „Ich finde, Morgan hat recht. Nur bis du dich an das Pferd gewöhnst.“
„Ja – bitte. Nur für heute.“
Ben neigte sich zu ihr, band das eine Ende des Führzügels an Pechs Zaumzeug fest und umfasste das andere. „Bist du bereit?“
„Ja …“
Auf diese Weise ritten sie zu der Versammlung beim Markttor.
„Leb wohl, Rose!“
„Adieu!“
„Bonne chance!“
Noch immer ließ Mark sich nicht blicken. Die Malve fiel aus Rozenns Gürtel und wurde unter einem Hinterhuf der Stute zerquetscht.
„Entspann deine Finger an den Zügeln, Rose“, mahnte Ben und unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen. „Und versuch, den Sattelknauf loszulassen.“
„Dann falle ich runter!“
„Nein, deine Füße stecken fest in den Steigbügeln“, erklärte er. „Halte dich mit den Beinen fest. So ist es besser.“
Vielleicht war es sogar vorteilhaft, dass sie keine Gelegenheit für Reitstunden gehabt hatte. Während sie sich auf die ungewohnten Bewegungen des Pferdes konzentrierte und darauf, ihr Gleichgewicht im Sattel zu halten, fand Rose keine Zeit für Tränen. Zumindest hoffte Ben das.
Rozenns Pflegemutter und die Gräfin blieben auf den Festungsstufen stehen, ein Schleier flatterte. Lässig winkte Comtesse Muriel den Reisenden nach, ehe sie in der Burg verschwand. Ivona hob eine Hand. Mit der anderen wischte sie sich über die Augen. Ihre Stimme hallte über den Hof hinweg. „Pass gut auf mein Mädchen auf, Benedict!“
Zur Antwort winkte er ihr zu. Dann grub er seine Fersen fester in Pipers braune Flanken und führte Rose aus dem Burghof heraus. Ihr Gesicht wirkte verkniffen. Die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, starrte sie den Kopf ihrer Stute an. Wieder klammerte sie sich an den Sattelknauf, die anderen Finger schlang sie so fest um beide Zügel, dass die Knöchel weiß hervortraten. Aber keine Tränen – nur ein bleiches, verzerrtes Gesicht, während sie alles, was sie jemals gekannt hatte, hinter sich zurückließ …
Die Pferde trotteten – gewiss wäre sie mit einem Trab derzeit überfordert – über den Marktplatz und an Sainte-Croix vorbei. Gerade beförderten einige Bauarbeiter mittels einer Winde einen der großen Steinblöcke hoch, die vor ein paar Tagen am Hafendamm ausgeladen worden waren. Eine Taube flog vorbei und steuerte den Taubenschlag im Burghof an.
Unbehaglich warf Rozenn dem Vogel einen kurzen Blick zu, ehe sie wieder Pechs Ohren betrachtete. Ben behielt den langsamen Trott bei, und schließlich erreichten sie die östlichste Brücke. Vor ihnen erstreckte sich der Wald, den zu durchqueren sie mehrere Tage kosten würde, wenn sie das Tempo nicht beschleunigten.
Rose bewegte sich vorsichtig im Sattel und spähte über ihre Schulter zur ummauerten Insel von Basseville, zur Burg. Allmählich verschwand ihr bisheriges Leben in der Ferne. „Ben?“
„Kleine Blume?“
„Was sagest du, welche Richtung wir einschlagen würden?“
Sehr gut, sie brachte sich auf andere Gedanken, also würde es keine Tränenflut geben. Bei dieser Erkenntnis spürte Ben, wie sich seine verkrampften Muskeln lockerten. Die Anspannung bemerkte er erst jetzt, als sie von ihm abfiel. „Wir folgen der Straße nach
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