Ballade der Liebe
stand, ein armseliger Hungerleider, der umständlich herumdruckste. „Wie gesagt, der Herr und die Frau stiegen in eine Kutsche“, berichtete er. „Ich bin ihnen eine Weile gefolgt. Sie fuhren in Richtung Westminster, da bin ich mir sicher.“ Der Mann wischte sich die Nase an seinem speckigen Ärmel ab.
Angewidert verzog Greythorne das Gesicht.
Der Spitzel fuhr fort: „Aber ich konnte nicht Schritt halten und habe sie aus den Augen verloren. Also wartete ich, bis sie wieder auftauchten. Und das hat gedauert, kann ich Ihnen sagen. Den ganzen Tag.“
Greythorne unterdrückte ein Gähnen. „Wenn du wichtige Informationen hast, rück endlich damit heraus.“
Der Mann grinste und entblößte schwarze Zahnlücken. „Das will ich meinen, Sir. Die Information ist mindestens zwei Pfund wert, aber das überlasse ich Ihnen, Sir.“
„Rede schon“, herrschte Greythorne ihn an. Gute Bezahlung war zwar die beste Garantie für Loyalität, aber diese Jammergestalt stellte seine Geduld auf eine harte Probe.
„Also gut.“ Der Mann holte tief Luft. „Nachdem ich den ganzen Tag gewartet habe – und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie hart es ist, einen ganzen Tag zu warten …“
„Versuch es erst gar nicht.“ Greythorne starrte den Mann finster an.
„Gut. Schließlich kamen die beiden in den Spielsalon zurück, und zwar zu Fuß, verstehen Sie? Und dann machte der Herr sich wieder zu Fuß auf den Rückweg, und ich bin ihm nachgegangen.“
Dieser Schwätzer langweilte ihn zu Tode mit seinem Gefasel. Greythorne stellte sich genüsslich vor, was der abgerissene Kerl für Augen machen würde, wenn er ihm den Lederriemen quer über seine dreckige Visage zog.
„Und jetzt wird’s interessant“, fuhr der Spitzel nichts ahnend fort. „Der Mann schlug nicht die Richtung zu dem piekfeinen Stadthaus ein, sondern bog in die Great Ryder Street ein und verschwand in einem Haus.“
Greythorne beugte sich vor. „Aha.“
„Er blieb nicht lange, sondern verließ das Haus mit einem Bündel, das er auf dem Weg in die Audley Street wegwarf.“
„Was für ein Bündel?“
Der Mann rieb sich den Nacken. „Das weiß ich nicht, Sir. Ein Gassenjunge holte es aus dem Gebüsch und rannte damit weg. Ich fand es wichtiger, dem Mann auf den Fersen zu bleiben.“
Greythorne verzog das Gesicht. Wenn das bedeutete, dass Tannerton die Kleine vor ihm gehabt hatte, wäre das höchst ärgerlich. „Wie sah dieser Mann aus? Kannst du ihn beschreiben?“
„Dunkle Haare. Sah irisch aus, wenn Sie mich fragen.“
Greythorne lachte in sich hinein. Der Sekretär. Ausgezeichnet. Offenbar hatte er der Kleinen ihr neues Heim gezeigt.
Er stand auf. „Zeig mir das Haus, und die zwei Pfund gehören dir.“
Rose saß am Fenster und beobachtete die Herren, die in Madame Bisous Haus ein und aus gingen, aber Flynn war nicht darunter. Es war absurd zu hoffen, dass er zurückkommen würde. Sie selbst hatte ja dafür gesorgt, dass er sie nie wiedersehen wollte.
Es klopfte an der Tür, und Katy huschte herein. „Wieso sitzt du hier, Rose? Komm doch runter in den Salon, dort hast du wenigstens Gesellschaft.“
Rose schüttelte den Kopf. „Lass nur. Ich will lieber allein sein.“
Katy ließ sich aufs Bett plumpsen. „Ich finde es nicht richtig, wenn du dich absonderst. Dann grübelst du nur über deinen Vater und so.“
Die Trauer um den Tod ihres Vaters verstärkte Roses Schmerz um Flynns Verlust.
„Ich hänge keinen trüben Gedanken nach“, erklärte sie der Freundin.
Katy zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. „Wo warst du eigentlich den ganzen Tag? Cummings meinte, du bist schon früh aus dem Haus gegangen, als ich noch schlief.“
„So früh auch wieder nicht.“
Plötzlich bekam Katy leuchtende Augen. „Du warst mit Flynn zusammen. Wo habt ihr euch rumgetrieben? Hoffentlich nicht schon wieder beim Friedensrichter.“
„Nein, nicht beim Friedensrichter“, antwortete Rose.
Katy wartete auf Einzelheiten.
„Flynn zeigte mir das Haus, das er für mich gefunden hat.“
Neugierig beugte Katy sich vor. „Das Haus, das Tannerton dir schenkt?“ Sie seufzte verträumt. „Genau wie Harriette Wilson vorhergesagt hat. Du bekommst ein eigenes Haus. Erzähl mir mehr darüber. Ist es schön eingerichtet?“
Rose bemühte sich, begeistert zu klingen. „Ja, schöne, helle Zimmer. Es gibt eine Küche, einen Salon und ein Esszimmer, im ersten Stock ein Boudoir und … ein Schlafzimmer.“
Die Freundin war völlig hingerissen.
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