Ballade der Liebe
verlegene Schweigen trieb ihr die Schamröte in die Wangen. Wieso war sie nicht fähig, mit diesem Mann, der sich ihr gegenüber stets tadellos benahm, zu plaudern? Nicht einmal mit seinen Küssen forderte er mehr, als sie bereit war zu geben.
„Ach, übrigens …“ Er ließ sich nicht anmerken, ob ihm das peinliche Schweigen auffiel.„Ich kann Sie von Ihrem Versprechen entbinden.“
Ihr Herz klopfte hart. „Mein Versprechen?“
Er zwinkerte ihr zu. „Das Geheimnis zu bewahren, das ich Ihnen anvertraut habe. Flynns neuer Posten.“
Sie vergaß, den Mund zu schließen. „Seine Königliche Hoheit nimmt Flynn in seine Dienste?“
„Genau. Sobald der Prinz aus Brighton zurückkehrt. Denn ich gehe davon aus, dass diese leidige Geschichte mit Greythorne nichts an seinem Entschluss ändert. Ich habe Flynn gestern die gute Nachricht mitgeteilt.“
Ihr Mund war ausgetrocknet, die Kehle zugeschnürt. Sie freute sich für Flynn, redete sie sich ein. Damit würde sich sein größter Wunsch erfüllen. „Er war gewiss hocherfreut darüber.“
Tannerton legte den Kopf schräg. „Nun ja, offen gestanden hatte ich mir etwas mehr Begeisterung erwartet, aber bei Flynn weiß man nie, woran man ist. Spielen Sie bloß nie Karten mit ihm. Er lässt sich nie anmerken, ob er ein gutes oder ein schlechtes Blatt hat.“
Diesen Eindruck konnte sie nicht bestätigen. Ihr hatte er tiefe Einblicke in sein Innerstes gewährt, wenn auch nur für flüchtige Augenblicke.
„Flynn wird den Posten beim Prinzen antreten, sobald er aus Irland zurückkehrt.“
„Irland?“ Rose straffte die Schultern. „Er reist nach Irland?“
„Offenbar will er seine Familie besuchen“, erklärte Tannerton. „Es ist mir ohnehin schleierhaft, warum er nicht längst um Urlaub gebeten hat. Er war verdammt lange fort von Zuhause. Ich hatte schon den Verdacht, er habe gar keine Familie.“
Rose verspürte plötzlich heftiges Heimweh nach Irland, nach den grünen Hügeln, der frischen würzigen Luft. Und nach dem bäuerlichen Dialekt, den sie sich mühsam abgewöhnt hatte.
Gedankenverloren rieb Tanner sich die Stirn. „Ich würde gern wissen, was der Prinz davon hält, dass Greythorne ihn so dreist hintergangen hat.“ Er sah Rose sinnend an. „Die Bow Street Runners fanden nämlich heraus, dass Greythorne sich in Brighton heimlich aus dem Staub gemacht hat und seine Königliche Hoheit im Glauben ließ, er liege krank im Bett. Aber wir alle wussten, dass er wieder in London ist.“
Rose nickte stumm, wieder einmal um Worte verlegen.
„Oh, ich bitte um Verzeihung“, meinte Tannerton plötzlich schuldbewusst. „Ich habe Ihnen noch gar nicht mein Beileid zum Tod Ihres Vaters und seiner Lebensgefährtin ausgesprochen. Es muss ein schwerer Schock für Sie gewesen sein.“
„Ja“, war alles, was Rose sagen konnte.
Er nahm ihre Hand, und es kostete sie Überwindung, sie ihm nicht zu entziehen. „Aber wir finden Greythorne, das verspreche ich Ihnen. Und wir ziehen ihn zur Rechenschaft für seine Verbrechen. Darauf gebe ich Ihnen mein heiliges Ehrenwort.“ Tröstend drückte er ihr die Hand.
„Vielen Dank, Mylord“, sagte sie.
Der Marquess stand auf. „Ich habe Greythorne unterschätzt, Miss O’Keefe.“ Er klang sehr ernst. „Das tut mir unendlich leid.“
Rose erhob sich gleichfalls, gerührt von seiner Offenheit und Anteilnahme. „Sie trifft doch keine Schuld, Sir“, sagte sie leise. „Greythorne hat … sie getötet.“
Tanner sah sie direkt an, und in seinem Blick las sie schmerzliches Bedauern. Endlich wurde ihr klar, dass der Marquess ein aufrechter und rechtschaffener Mann war. Sie wünschte sich beinahe, ihm die Zuneigung schenken zu können, die er verdiente.
Schließlich löste er den Blick von ihr und zog seine Taschenuhr. „Ich fürchte, ich muss los.“ An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Flynn hat Vorbereitungen getroffen, damit Sie morgen umziehen können. Ich schicke Ihnen am Nachmittag meine Equipage, wenn es Ihnen genehm ist.“
Nein, es war ihr nicht genehm, aber was sollte sie tun?
„Ich werde bereit sein.“
Er lächelte. „Gut. Gegen drei Uhr? Sie können sich mit Ihrer neuen Umgebung vertraut machen, und später begleite ich Sie nach Vauxhall, wenn Sie wünschen.“
Rose nickte abwesend.
Er wandte sich zum Gehen, drehte sich erneut um, trat auf sie zu und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Dann bis morgen, Miss O’Keefe.“
Die Dienerschaft hatte in der kleinen Diele
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