Ballade der Liebe
verschwenden. Sie befand sich in fiebernder Aufregung und konnte kaum still sitzen. Nur im Wissen, dass sie den Tag mit Flynn verbringen durfte, schaffte sie es, ihre Hände von ihm zu lassen.
An Westminster Abbey, deren graue Türme majestätisch in den Himmel ragten, wechselte Flynn sogar die Kutsche. Rose nahm sich vor, die Kathedrale, in der es große Kunstschätze zu sehen gab, eines Tages zu besuchen: Königsgräber, reich geschmückte Altäre und Heiligenfiguren – all diese Sehenswürdigkeiten würde sie gerne zusammen mit Flynn besichtigen.
Aber sie wollte nicht daran erinnert werden, dass dies der einzige Tag war, den sie mit ihm verbringen durfte.
Der Kutscher setzte das Paar in der Nähe von Mason’s Yard in der Duke Street ab. Sie mussten nur um eine Straßenecke biegen, dann befanden sie sich in der stillen, abgelegenen Straße. Da Rose an diesem Abend nicht in Vauxhall auftrat, konnten sie so lange bleiben, wie sie wollten.
Beim Betreten des Hauses beschlich sie ein Gefühl der Beklommenheit. In der kleinen Diele löste sie die Schleife ihrer Haube, schaute sich um und bemerkte die schmale Treppe, die ins Obergeschoss führte.
Auch Flynn ließ sich Zeit, Hut und Handschuhe abzulegen. „Darf ich dir die Zimmer zeigen?“
„Ja gern“, entgegnete sie und bemühte sich, interessiert zu klingen, hoffte aber lediglich, dass ihr Herzklopfen sich während des Rundgangs beruhigen würde.
„Fangen wir mit dem Wirtschaftsteil an.“ Flynn führte sie über eine Holzstiege nach unten in eine kleine Küche. Auf dem Tisch stand ein Korb mit Brot, Käse und Wein.
„Falls wir Hunger bekommen“, erklärte Flynn.
Rose lächelte. Er dachte wirklich an alles.
Sie warf einen Blick in die Unterkünfte der Dienstboten und begleitete ihn wieder in die Diele hinauf. Nach vorne zur Straße hin gab es einen hübsch möblierten Salon, daneben lag das Esszimmer.
Flynn sah sie an. „Wollen wir nach oben?“
Ein Wonneschauer durchrieselte sie, und sie nickte.
Seine Augen verdunkelten sich, als er sie bei der Hand nahm und die Treppe hinaufführte. Zunächst führte er sie in ein behagliches Kabinett, das von einer eleganten Chaiselongue dominiert wurde, die zwei Personen Platz bot.
„Daneben liegt das Schlafzimmer.“ Flynn hob ihre Hand an die Lippen, und die Wärme seines Kusses durchströmte ihren Körper. Seine andere Hand lag bereits auf dem Türknauf, doch dann zögerte er. „Bist du sicher, Rose?“
Mittlerweile hatte ihre Unruhe sich gelegt. „Ich bin ganz sicher.“
Er öffnete die Tür.
In der Mitte des Zimmers stand ein breites Himmelbett. Die Behänge an den gedrechselten Mahagonipfosten und der Bettüberwurf waren aus elfenbeinfarbenem Brokat. Ein ähnlich prachtvolles Bett hatte sie nur ein Mal in Miss Harts Schlafzimmer in Mayfair gesehen. Nie im Traum hätte Rose gedacht, dass sie einmal in einem so märchenhaft schönen Bett schlafen würde.
Der Gedanke, dass sie dieses Bett bald mit Tannerton teilen musste, schoss ihr durch den Kopf, doch sie verdrängte ihn schleunigst. Heute gab es nur Flynn.
Fragend sah er sie an.
Lachend zog sie ihn ins Zimmer. „Nein, ich habe es mir nicht anders überlegt, Flynn.“
Sie schleuderte ihre Slipper von sich und zog ihn zum Bett.
Er hob ihre Finger an die Lippen. „Genauso wenig wie ich,
Rose. Ich will nur Gewissheit, dass du dich wohlfühlst. Wir haben den ganzen Tag, um uns zu lieben …“
Sie knöpfte ihm die Weste auf und legte ihre flachen Hände an seine Hemdbrust. „Ich wünschte, die Zeit bliebe stehen.“
Ohne den Blick von ihr zu wenden, schlüpfte er aus dem Gehrock und ließ ihn zu Boden fallen. Rose streifte ihm die Weste ab und drehte ihm den Rücken zu, damit er ihr das Kleid aufknöpfen konnte.
Im Unterricht in der Kurtisanenschule war ihr das ausführliche Gerede über die Kunst des Entkleidens vor dem Liebesakt albern erschienen, doch nun begriff sie, welch erotisches Prickeln dieses Vorspiel auslösen konnte. Jedes zu Boden flatternde Kleidungsstück brachte die Liebenden einander näher. Katy hatte immer von den Freuden der körperlichen Liebe geschwärmt. Nun erst konnte Rose es nachempfinden, dabei hatte das Spiel gerade einmal begonnen.
Ihr Kleid flatterte raschelnd zu Boden, und Flynn nestelte an der Verschnürung ihres Korsetts, das ebenfalls achtlos zu Boden fiel. Schließlich löste er die Nadeln aus ihrer Frisur. Und als ihr die Lockenfülle über den Rücken wallte, ließ er die gespreizten Finger durch die
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