Ballade der Liebe
Gewissensbisse, ihr die Unschuld genommen zu haben, waren quälender. In ihm tobte ein wirrer Aufruhr, gleichzeitig pulsierte heißes Verlangen ungehemmt durch seine Adern.
Sie war unberührt. Sie war keine Kurtisane. Keine in Liebeskünsten erfahrene Frau.
Er verließ das Bett, ging zum Waschtisch in der Zimmerecke und tauchte das Ende eines Handtuchs in die Waschschüssel. Er hatte Wasserkrug, Schüssel und Tücher schon zuvor bereitgelegt, aber nicht um jungfräuliches Blut wegzuwischen.
Er reichte ihr das Tuch und befeuchtete ein zweites für sich selbst.
Rose war den Tränen nahe. „Erkläre mir bitte, Flynn, warum dir das etwas bedeutet, weil ich es nicht begreife.“
Flynn schien ihre Frage gar nicht zu hören. „Du hast mich hintergangen, Rose.“
„Dich hintergangen?“ Sie blinzelte heftig. „Wieso? Du hast mich nie gefragt, Flynn. Ich hätte es dir gesagt.“
„Zum Teufel damit. Du wurdest zur Kurtisane ausgebildet. Wieso hätte ich auf diese Idee verfallen sollen?“
Mit offenem Mund starrte sie ihn an. „Du weißt von der Kurtisanenschule?“
Finster erwiderte er ihren Blick. „Katy sagte, du wurdest von Harriette Wilson ausgebildet, Herrgott noch mal. Wie sollte ich auf die Idee kommen, dass eine Jungfrau von der berüchtigtsten Kurtisane Londons in der Kunst der Liebe unterwiesen wird?“
Rose wandte das Gesicht ab. „Sie hat uns nur ein einziges Mal unterrichtet.“
„Katy traf dich auf der Straße, erzählte sie mir.“ Flynn hatte immer noch Mühe, die Zusammenhänge zu ordnen. Alles hatte sich verändert für ihn. Alles.
Rose zog das Laken hoch und hüllte sich darin ein. „Was ist so verwerflich daran? Auch junge unberührte Mädchen machen Einkäufe auf dem Markt. Dort habe ich Katy und Mary zum ersten Mal getroffen.“
Verständnislos schüttelte er den Kopf. „Du hast mir selbst gesagt, du seist mit anderen Männern zusammen gewesen.“
Sie blinzelte verdutzt. „Das habe ich nie gesagt.“
Er trat einen Schritt näher. Sich plötzlich seiner Nacktheit bewusst, griff er nach seinem Hemd und schlang es sich um die Hüften. Während er die Ärmel verknotete, betrachtete er sie vorwurfsvoll. „Du hast Spazierfahrten mit Herren im Park erwähnt.“
„Das gibt dir Anlass zu denken, dass ich mich anderen Männern hingegeben habe? Es waren harmlose Ausflüge, zu denen Robert Duprey uns gelegentlich einlud.“
Flynn war fassungslos. Er hatte sie vom ersten Augenblick an, als er sie auf der Bühne in der Rotunde von Vauxhall gesehen hatte, für eine Verführerin gehalten.
Grundgütiger! Er hätte seinem Dienstherrn beinahe eine Jungfrau zugeführt. Schlimmer noch, er selbst hatte ihr die Unschuld genommen.
Störrisch hob Rose das Kinn. „Ich suchte Zuflucht in der Kurtisanenschule, weil ich nicht wusste, wohin ich mich wenden sollte. Letty hatte meinetwegen einen furchtbaren Streit mit Papa, ich rannte fort und brauchte ein Dach über dem Kopf. Und außerdem wollte ich mir gesellschaftlichen Schliff aneignen, von dem Katy und Mary redeten, als ich sie belauschte. Ich hoffte, feine Manieren würden mir helfen, ans Theater zu kommen. Und so war es auch, denn kurz darauf engagierte mich Mr. Hook.“
Flynn weigerte sich, die ganze Verantwortung zu tragen für das, was zwischen ihnen geschehen war. Er sah sie unverwandt kühl an. „Du hast dich mir an den Hals geworfen, Rose. Eigentlich von Anfang an. Wolltest du mit mir üben und Erfahrungen sammeln für den Marquess? Hat man dir in deiner Kurtisanenschule nicht beigebracht, dass Jungfrauen einen höheren Preis erzielen?“
Rose hockte sich auf die Knie, ihre Augen schossen Blitze. „Jedenfalls war ich nicht so töricht zu denken, ich könnte Sängerin werden, ohne irgendwann meine Jungfräulichkeit zu verlieren. In der Schule – in Killyleagh wohlbemerkt – haben sie uns weiß Gott eingetrichtert, was von Mädchen zu halten ist, die zum Theater wollen. Das Dumme war nur, dass ich genau ein solches Mädchen sein wollte. Meine Mutter war Sängerin, und ihr eiferte ich nach. Allerdings hatte ich die Hoffnung, dass der Mann, mit dem ich das Bett teile, einer wäre, für den ich Achtung und Respekt empfinden kann. Wie im Roman. Ich träumte mein Leben lang von romantischer Liebe, verstehst du?“
„Ich sollte also dein Held sein wie in einem dieser idiotischen Kitschromane, wie?“ Er lachte trocken.
Wütend reckte Rose das Kinn. „Ich hielt dich für einen Mann, den ich achten und schätzen kann.“
Flynn ließ den
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