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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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auf
sie!«
    Nachdem Quilter mit den beiden
Schäferhunden gegangen war, senkte Lomax den Kopf und starrte Ransom
nachdenklich an. Das schmale Gesicht verzog sich zu einem arroganten Lächeln,
das zu seiner ganzen Aufmachung paßte.
    »Mein lieber Charles, ich muß mich
wirklich bei Ihnen dafür entschuldigen, daß ich Quilter geschickt habe, aber
die Dienstboten sind alle verschwunden. Stellen Sie sich diese Undankbarkeit
vor! Aber die Idioten haben es mit der Angst zu tun bekommen und sind
fortgelaufen ...« Er seufzte theatralisch, kniff ein Auge zusammen und
flüsterte heiser: »Restlos verblödet, finden Sie nicht auch? Was wollen sie
eigentlich am Meer – baden?«
    Er lehnte sich mit einer
schmerzlichen Grimasse in die Kissen zurück und warf einen klagenden Blick auf
die Stuckdecke seines Zimmers: Nero war von der Absurdität und Undankbarkeit
dieser Welt geradezu überwältigt. Ransom beobachtete die Vorstellung mit einem
verständnisvollen Lächeln, denn er wußte, daß diese Pose den falschen Eindruck
erweckte. Lomax war keineswegs verweichlicht oder hilflos, sondern im Gegenteil
eisenhart und energiegeladen, obwohl er sich in dieser anderen Rolle gefiel.
    »Was fehlt Ihnen eigentlich?« fragte
Ransom. »Sie sehen ganz gesund aus.«
    »Ich bin es aber nicht, Charles.«
Lomax zeigte auf sein rechtes Ohr. »Irgendwie muß ein Wassertropfen aus dem
verdammten Schwimmbecken hineingekommen sein, und ich schleppe seit einem Tag
den Atlantik mit mir im Kopf herum. Ich habe allmählich das Gefühl, mich in eine
Auster zu verwandeln.«
    Ransom ließ die Schlösser seiner
Instrumententasche aufschnappen. »Schön, sehen wir uns die Sache an. Vielleicht
finde ich eine Perle.«
    Er untersuchte das Ohr gründlich,
machte eine Spülung und erklärte dann, die Behandlung sei abgeschlossen.
    »Mir geht es schon wieder besser,
Charles. Sie haben wirklich Talent. Der alte Hippokrates wäre stolz auf sie
gewesen.« Lomax runzelte die Stirn und sagte nach einer kurzen Pause: »Ich
wollte noch etwas anderes mit Ihnen besprechen, nachdem Sie einmal hier sind.
In letzter Zeit bin ich so beschäftigt gewesen, daß ich einfach keine Zeit dazu
gehabt habe.« Er stützte sich mühsam auf seinen Stock, als er aus dem Bett
kletterte, und bedankte sich überschwenglich bei Ransom, der ihm dabei geholfen
hatte, obwohl er genau wußte, daß der Architekt keineswegs ein gebrechlicher
Invalide war.
    »Was wollten Sie mit mir besprechen?«
fragte Ransom, während Lomax einen vergoldeten Parfümzerstäuber von seinem
Toilettentisch nahm und sich mit einer Duftwolke umgab.
    »Nun, Charles ...« Lomax sah aus dem
Fenster über die Stadt, die in dichte Rauchwolken gehüllt war. Rechts
erstreckte sich das ausgetrocknete Flußbett zwischen verlassenen Häusern; der
schmale Kanal, in dem das letzte Wasser versickerte hatte sich weiter verengt.
»Was spielt sich dort unten ab? Sie können das besser als ich beurteilen.«
    Ransom zuckte mit den Schultern. »Der
Fall ist eigentlich ziemlich klar. Sie müssen wirklich sehr beschäftigt gewesen
sein, wenn Sie nichts davon gemerkt haben. Das natürliche Gleichgewicht ...«
    Lomax machte eine irritierte
Handbewegung. »Erzählen Sie mir nichts von einem natürlichen Gleichgewicht,
Charles! Wir würden alle noch in Lehmhütten leben, wenn es nicht Männer wie
mich gäbe.« Er sah düster auf die Stadt hinab. »Das wäre vielleicht gar nicht
so übel, wenn man die Monstrositäten dort unten betrachtet. Ich wollte wissen,
was sich in Mount Royal abspielt. Sind die meisten Leute schon fortgefahren?«
    »Neun von zehn. Wahrscheinlich sogar
mehr. Kein Wunder, nachdem sie dort keine Zukunft haben.«
    »Das ist eben der große Irrtum.
Glauben Sie mir, die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.« Lomax kam heran und
blieb dicht vor Ransom stehen. »Und was ist mit Ihnen, Charles? Warum lungern
Sie noch immer hier herum? Ich verstehe einfach nicht, weshalb Sie nicht wie
die anderen zum Meer gefahren sind.«
    »Tatsächlich nicht, Richard? Ich
dachte, Sie hätten Verständnis dafür. Vielleicht haben wir beide noch etwas zu
erledigen.«
    Lomax nickte langsam. »Ausgezeichnet
gesagt – so taktvoll und diskret, wie ich es von Ihnen erwartet hätte.
Natürlich verstehe ich, was Sie hier festhält. Aber was haben Sie wirklich vor?
Sie können doch nicht auf ihrem kleinen Hausboot im Schlamm sitzen und aufs
Ende der Welt warten.«
    »Ich bin schon seit drei oder vier
Tagen nicht mehr dort gewesen«, antwortete Ransom.

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