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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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vor dem dunklen Himmel. Zwei
Rettungsringe hingen wie leere Augen an der Reling zu beiden Seiten des
Steuerhauses. Aus der darunterliegenden Kabine drang ein schwacher Lichtstrahl.
Die Fischer waren wieder verschwunden, aber eine einzelne Gestalt
patrouillierte auf dem Deck mit einem Bootshaken in der Hand.
    Ransom richtete sich in eine kniende
Stellung auf. Er wischte sich die Hände an der Matratze ab. Der Trawler hatte
in einem schlammigen Dock gelegen, und der Schlamm war durch die Schweißnähte
der Kielplatten gesickert, als das Boot allmählich tiefer sank. Die
schwärzlichen Haufen lagen wie Lavaklumpen auf dem schrägen Boden. Ransom erhob
sich schwankend, wobei sein Kopf wegen der erlittenen leichten
Gehirnerschütterung heftig dröhnte, und tastete sich vorsichtig durch den
halbdunklen Laderaum. Er blieb am Mast stehen und horchte nach draußen, ohne
mehr als einige leise Geräusche unterscheiden zu können, deren Ursprung
weiterhin unklar blieb. Der Wachhabende stand unbeweglich im Heck und
beobachtete die dichten Rauchschwaden, die von Mount Royal her träg über den
Himmel zogen.
    Die undeutlichen Geräusche kamen
näher, wurden zu raschen Schritten vieler Männer. Ransom streckte sich wieder
auf der Matratze aus. Die Schritte bewegten sich am Lagerhaus vorbei auf den
Kai zu, dann polterte eine Gruppe von etwa zehn Fischern die Gangway herauf.
Zwischen den Männern hing ein Netz, in dem ein großes Bündel lag. Die Fischer
lehnten sich über das Geländer und ließen das Netz langsam herab, bis es dicht
über der Matratze hing. Dann öffneten sie es mit einem kurzen Ruck, so daß der
Bewußtlose auf die Matratze fiel.
    Der Bootsmann, unter dessen Führung
die Jäger standen, beugte sich über das Geländer und betrachtete die letzte
Beute. Er war untersetzt, breitschultrig, etwa dreißig Jahre alt und
unterschied sich von seinen Kameraden durch eine blonde Haartolle über dem
plumpen Gesicht. Ransom schloß die Augen, als schlafe er fest. Dicht neben ihm
stöhnte der Landstreicher leise vor sich hin.
    Der Blonde nickte seinen Männern zu.
Sie holten ihre Netze ein und schlangen sie über die Schultern.
    Die Tür des Steuerhauses öffnete
sich, so daß der Lichtstrahl einer Laterne aufs Deck fiel. Ein großer hagerer
Mann mit sonnengebräuntem Gesicht trat langsam ins Freie und sah sich forschend
um. Sein schwarzer Anzug war bis zum Hals zugeknöpft, so daß Oberkörper und
Arme noch länger wirkten.
    »Jonas!« Der Blonde ging rasch zu ihm
hinüber und wollte die Tür schließen.
    »Fürchte dich nicht vor dem Licht,
Saul.« Der hagere Mann stieß seinen Arm beiseite. Nach einer kurzen Pause
schloß er selbst langsam die Tür und ging nach vorn zu seinen Männern. Er
nickte ihnen nacheinander gewichtig zu, als sei er mit ihrer Anwesenheit auf
seinem Achterdeck einverstanden. Die Männer erwiderten sein Nicken und griffen
dabei unsicher nach den Netzen über ihren Schultern, als seien sie sich darüber
im klaren, daß sie eigentlich bereits wieder unterwegs sein sollten, um neue
Beute zu machen. Nur der blonde Saul schien sich gegen die Autorität des
anderen auflehnen zu wollen. Er blieb ständig dicht hinter Jonas und trommelte
unruhig mit den Fingern auf der Reling, als suche er etwas, worüber er sich
beschweren könne.
    Jonas überquerte das Deck und blieb
am vorderen Luk stehen. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt und schien
in der Sonne völlig ausgetrocknet zu sein. Als er in den Laderaum sah, erkannte
Ransom die seltsam zurückweichende Stirn und die breiten Backenknochen sofort
wieder. Seine Augen hatten den überintensiven Ausdruck eines halbgebildeten
Wanderpredigers, der ständig unter der Notwendigkeit leidet, Nahrung und
Unterkunft finden zu müssen.
    Er nickte befriedigt, als er Ransom
und den betrunkenen Landstreicher sah. »Gut. Wieder zwei, die uns auf der Suche
helfen können. Nehmt eure Netze und geht weiter durch die Straßen. In den
beiden kommenden Nächten könnt ihr noch manchen guten Fang machen.«
    Die Männer schienen den Befehl
ausführen zu wollen, aber der blonde Bootsmann rief: »Jonas! Wir können die
alten Männer jetzt nicht brauchen!« Er wies mit einer verächtlichen
Handbewegung auf den Laderaum. »Alles nur toter Ballast der uns behindert!« Er
sprach noch einige Zeit weiter, während Jonas unbeweglich mit gesenktem Kopf
zuhörte, als müsse er eine innere Nervosität mühsam beherrschen. Die Männer
setzten sich wieder und sprachen leise miteinander.

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