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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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kaum noch genügend übrigblieb, um den Boden des Bassins zu bedecken.
    Er rief zu dem Ausguck auf der Brücke
hinauf: »Ist Captain Hendry an Bord? Ransom möchte ihn kurz sprechen.«
    Der Mann kletterte aufs Deck hinunter
und ging vor Ransom her. Sie kamen an mit Brettern verschalten Bullaugen
vorbei. Der Schiffsrumpf war seit zehn Jahren nicht mehr gestrichen worden und
hielt eigentlich nur noch durch Rost zusammen. Bordwände und Decks wiesen an
vielen Stellen Einschüsse auf – der Frachter, der Wasser und Lebensmittel an Bord
hatte, war von den Massen am Strand gestürmt und dann von dem Zerstörer unter
Feuer genommen worden, der jetzt zweihundert Meter weit entfernt zwischen den
Dünen lag. Durch eine dieser Öffnungen im Deck über ihm, deren gezackte Ränder
an eine exotische Blüte erinnerten, sah Ransom ein altes Chorhemd in der Sonne
trocknen.
    »Warten Sie hier. Ich melde Sie bei
Captain Hendry an.«
    Ransom beugte sich über die Reling
und sah in den Hof hinunter. Eine alte Frau in einem schwarzen Umschlagtuch
zerkleinerte Treibholz mit einer Axt, eine andere lockerte den Tang auf, der in
der Sonne zum Trocknen ausgebreitet lag. Die ganze Atmosphäre der Siedlung war
eintönig und freudlos, als handle es sich dabei um eine Verbanntenkolonie, die
mühsam in einer unwirtlichen Gegend zusammengehalten wurde. Zum Teil war dies
auf ein gewisses Schuldbewußtsein zurückzuführen, das die Überlebenden noch
jetzt verfolgte – die Geister der Tausenden, die am Strand ermordet oder ins
Meer getrieben worden waren, um dort zu sterben, schienen weiter über den
Salzdünen zu schweben. Gleichzeitig war diese Lebensweise aber auch als
Reflexion eines allmählichen Miedergangs zu verstehen, denn die Überreste ihres
früheren Lebens, die einzigen Materialien, die sie noch zur Verfügung hatten,
versanken immer tiefer in den sterilen Dünen. Dieses Bewußtsein schwindender
Möglichkeiten schien den Unternehmungsgeist der Siedler völlig gelähmt zu
haben, so daß sie sich ausschließlich auf solche Arbeiten beschränkten, die zur
Erhaltung und Sicherung ihrer gegenwärtigen kümmerlichen Existenz dienten.
    »Der Captain läßt bitten.«
    Ransom folgte dem Mann unter Deck.
Diese seemännische Terminologie – innerhalb der Siedlung gab es etwa ein
Dutzend Captains, zu denen Hendry, Jordan und der Reverend Johnstone gehörten,
der allerdings eine Art Exofficio-Admiral war – stellte ein Überbleibsel aus
der ersten Zeit dar, als die ursprünglichen Siedler an Bord des Frachters
gelebt hatten. Das Schiff lag damals noch im seichten Wasser vor der Küste und
war den Wogen hilflos preisgegeben, bis die riesigen Salzberge der
Destillationsanlagen das Wasser ins Meer zurückgedrängt hatten. Zu diesem
Zeitpunkt lebten Tausende von Umsiedlern in den Autos und Hütten am Strand, und
die Destillationsanlagen, die nun von Bürgerkooperativen betrieben wurden,
nachdem das Militär die Waffen gestreckt hatte, erzeugten täglich jeweils
einige Tonnen Salz. Der große Frachter war bald von diesen weißen Massen
überflutet worden.
    »Nun, was bringt Sie zu mir,
Charles?« Hendry saß an seinem Schreibtisch in der ehemaligen Kabine des
Schiffszahlmeisters und hob nur kurz den Kopf, als Ransom hereinkam. Er wies
ihm mit einer Handbewegung einen Sessel an und sah dann wieder auf die Spalten
des alten Logbuchs, in dem er wichtige Ereignisse aufzeichnete und gleichzeitig
Buch über die Vorräte der Siedlung führte. In den vergangenen Jahren war seine
Gutmütigkeit abbgebröckelt, so daß jetzt nur der gewissenhafte und peinlich
korrekte Polizist übrigblieb, der er im Grunde genommen schon früher gewesen
war. Hendry hatte es sich angewöhnt, alles nur daraufhin zu untersuchen, ob es
der Siedlung nützen oder schaden konnte, und betrachtete Ransom deshalb
unverhohlen mißtrauisch und zurückhaltend.
    »Judith läßt Sie herzlich grüßen,
Captain«, begann Ransom. »Wie geht es dem Baby?«
    Hendry machte eine vage Geste mit
seinem Federhalter. »So gut, wie man es unter den Umständen erwarten kann.«
    »Möchten Sie Wasser für das Baby? Ich
habe etwas mitgebracht. Es ist eigentlich für die Siedlung bestimmt, aber Sie
und Julia haben vielleicht auch Verwendung dafür.«
    Hendry runzelte die Stirn und starrte
Ransom ins Gesicht. »Was für Wasser ist das, Charles? Ich wußte gar nicht, daß
Sie so reichlich versorgt sind, daß Sie Wasser zu verschenken haben.«
    »Es gehört eigentlich gar nicht mir.
Die Piraten sind gestern nacht

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