Ballaststoff
stolz einen Korb voll sichergestellter Hanfpflanzen. Angermüller, der neben seinem Chef hatte Platz nehmen müssen, war nicht so ganz bei der Sache.
Der Kriminalhauptkommissar musste immer wieder an den vergangenen Abend denken. Natürlich hatte Astrid bereits genau überlegt, wann und wie sie den Mädchen von ihren Plänen erzählen sollten. Sie hatten sich auf das Wochenende geeinigt, um in dieser nicht einfachen Situation möglichst viel Zeit für die Kinder zu haben. Dann hatte Astrid sogleich begonnen, einen Plan für die systematische Wohnungssuche zu entwerfen. Und irgendwann hatte sie fast schüchtern gefragt, ob es denn in seinem Leben jemand anderen gäbe. Er hatte mit einem klaren Nein geantwortet. Was ihm vorgestern mit Anita passiert war – das hatte hiermit nichts zu tun.
Auch er hatte Astrid die Frage gestellt, und sie hatte den Kopf geschüttelt.
»Und was ist mit Martin?«
»Ach, Martin.«
Sie hatte in sich hineingelächelt.
»Er ist der beste Kollege, den man sich vorstellen kann, und jemand, der immer zur Stelle ist, wenn man ihn braucht. Ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann«, hatte sie dann gesagt. »Aber du weißt ja, da ist die Geschichte mit seiner Frau. Ich bin die Kummerkastentante, der er immer alles erzählt. Mal will er zu ihr zurück, doch dann sagt sie nein, das möchte sie nicht, und beim nächsten Mal ist es wieder umgekehrt. Ich denke, das ist noch lange nicht ausgestanden.«
Angermüller war sich nicht sicher, ob er da nicht ein Bedauern herausgehört hatte. Doch warum sollte er sich darüber den Kopf zerbrechen? Er konnte jetzt den Dingen ihren Lauf lassen. Die Zeit würde zeigen, was Bestand haben würde. Auch wenn das alles nicht einfach werden würde – der Alltag mit den Kindern, die Reaktionen der Verwandtschaft und gemeinsamer Freunde, das plötzliche Alleinleben in einer anderen Wohnung – er fühlte sich trotzdem ziemlich gut. Endlich herrschte mehr Klarheit in seinem Leben.
»Und hier neben mir sitzen Kriminalhauptkommissar Georg Angermüller und Kriminalkommissar Claus Jansen, die Sie ja vielleicht schon aus anderen Zusammenhängen kennen«, stellte sie der Behördenchef vor. »Die beiden waren es, die quasi kommissariatsübergreifend die Hanfplantage entdeckt haben. Im Rahmen ihrer Ermittlungen in einem Todesfall für das K 1 sind sie auf den Beschuldigten gestoßen, der diese illegale Pflanzung angelegt hat, und haben die Kollegen von der Drogenfahndung darauf angesetzt. Ein wirklich vorbildliches Beispiel für die hervorragende Zusammenarbeit unserer Kommissariate untereinander. Es ist übrigens die größte Freiluftplantage für Marihuana, die in Schleswig-Holstein jemals gefunden wurde.«
»K 1, ja? Mord und Kapitaldelikte. Davon haben Sie ja noch gar nichts verlauten lassen, Appels«, bemerkte Victor Hagebusch von der Lübecker Zeitung mit unverkennbarer Häme in der Stimme. »Hat der Mord mit dem Rauschgift zu tun? Oder ist das streng geheim?«
Grinsend sah er sich unter den anderen Medienleuten um. Hagebusch war der Senior unter den Lokaljournalisten, ein altes Schlachtross, das mit Vergnügen seine Macht als Meinungsmacher auskostete. Früher hatte er für die großen Magazine gearbeitet, doch offensichtlich hatten die nie lange mit ihm zu tun haben wollen. So war er vor einigen Jahren bei der Lübecker Zeitung hängen geblieben und hatte sich mit seiner ziemlich boshaften Schreibe einen ergebenen Leserkreis erobert. Mit ihm durfte man es sich nicht verderben, denn wer sich ihn zum Feind machte, den nahm er mit seinen journalistischen Mitteln nach allen Regeln der Kunst auseinander. Und dafür war ihm jedes, oft auch nicht ganz feine, Mittel recht.
»Gut, dass Sie fragen, werter Herr Hagebusch«, sagte denn auch der Behördenchef mit einem charmanten Lächeln. »Gerade wollte ich drauf kommen. Wir hatten am vergangenen Sonnabend eine unbekannte männliche Leiche auf einem Golfplatz, gestorben durch Fremdeinwirkung, Identität zunächst unbekannt. Doch schon am Sonntag konnten die Kollegen den Mann identifizieren lassen. Der Kollege Angermüller kann Ihnen bestimmt noch mehr dazu sagen. Bitte, Georg.«
Da verplapperte sich der Chef, machte die Leute erst neugierig, und dann schob er ihm die Sache unter. Warum hatte er den Toten vom Golfplatz überhaupt erwähnt? Gerade auf so eine Geschichte waren die Zeitungsschreiber doch immer scharf. Angermüller neigte sich zum Mikrofon.
»Tja, nach unseren bisherigen Erkenntnissen können wir einen
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