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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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als diese in ein Sandloch stolperte.
    “Da habe ich dich also, mein Herzchen!”
    Der Mann war schwer, und sein Gewicht drückte Lydia so tief in den Sand, dass sie kaum Atem holen konnte. Sie keuchte und krächzte, bis der Fremde endlich nachgab, sich aufrichtete und Lydia mit emporzog.
    “Nun will ich dich erst einmal richtig betrachten.” Überrascht begann er zu kichern. “Das ist ja ein Mädchen! Ich habe mir ein Mädchen eingefangen! Wer bist du denn, Kleine?”
    In dem fahlen Licht des neuen Tages starrte Lydia ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Dann begann sie zu lächeln, ein wenig dümmlich, aber glückstrahlend. “Kennst du mich denn wirklich nicht?”, fragte sie schelmisch. “Freddie Fostyn erkennt seine eigene Schwester nicht!”

8. KAPITEL
    Freddie starrte das Mädchen verdutzt an. “Großer Gott, Lydia! Was machst du denn hier? Und in diesem Aufzug!” Plötzlich fing er an zu lachen. “Sind das etwa meine Hosen?”
    “Allerdings.” Lydia schmunzelte vergnügt. “Ich bin hierher gekommen, um die Schmuggler zu beobachten. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich dir dabei begegnen würde. Oh, Mama wird überglücklich sein!”
    “Nein, nein, Lydia! Sie darf nicht wissen, dass ich wieder daheim bin.”
    “Sie darf es nicht wissen? Aber Freddie, wie kannst du nur so etwas sagen! Sie hat ja zehn lange Jahre nur mit der Hoffnung auf deine Rückkehr gelebt …”
    “Nun, dann machen ein oder zwei Tage länger auch keinen Unterschied mehr.”
    “Willst du sie denn nicht gern wiedersehen?”
    “Natürlich möchte ich das. Aber ich habe noch einige Geschäfte abzuwickeln, bevor ich ihr wieder unter die Augen treten will. Ich muss etwas vorweisen können, verstehst du? Ich will doch nicht mit leeren Händen zurückkommen.”
    “Das wird ihr überhaupt nichts ausmachen, denn die Freude darüber, dass du heil und gesund wieder daheim bist, wird alles andere in den Schatten stellen. Lass doch den Schmuggel.”
    “Das geht nicht. Ich kann es dir jetzt nicht erklären, Schwesterchen. Aber ein wenig später werde ich dann bei euch sein, und es wird ein Wiedersehen werden, wie wir es uns alle erträumt haben.”
    Lydia gab jedoch nicht nach. “Sag, wo bist du nur die ganze Zeit gewesen? Ach, es gibt ja so viel zu erzählen. Wahrscheinlich hat dir Robert Dent schon einiges davon berichtet.”
    “Robert Dent? Was hat er denn damit zu tun?”
    “Gehört er denn nicht zu den Schmugglern?”
    “Ich weiß nicht. Ich bin ihm jedenfalls noch nicht begegnet, denn ich bin gerade erst an Land gegangen. Du musst aber jetzt gehen. Sonst bleiben die anderen stehen und kommen zurück um nachzusehen, was es gibt. Warte ab, bis wir alle verschwunden sind, und mache dich dann auf den Heimweg. Vergiss aber nicht: kein Wort zu irgendjemandem, vor allem nicht zu Ralph Latimer.”
    “Warum sollte ich ihm etwas sagen? Ich hasse ihn für das, was er Papa und dir angetan hat. Im Übrigen weiß er Bescheid.”
    “Worüber?”
    “Über die Schmuggler. Er hat das Versteck im Wald entdeckt und ist fest entschlossen, euch zu fangen.”
    “Der Teufel soll ihn holen!”
    “Oh ja, das wünsche ich auch”, entgegnete Lydia zornig. “Ich bin gekommen, um die Leute zu warnen. Denn wenn es Einheimische sind, möchte ich nicht, dass sie eingesperrt werden. Ich konnte natürlich nicht ahnen, dass du auch dazu gehörst.”
    “Ist das auch wahr?”
    “Ganz gewiss. Warum sollte ich lügen?” Indes, es war tatsächlich eine Lüge. Lydia hatte keineswegs die Absicht gehabt, die Schmuggler zu warnen. Doch wenn es galt, dem Earl of Blackwater ein Schnippchen zu schlagen, so war sie nur zu gern mit von der Partie.
    “Nun, das ist ein Grund mehr für dich, schnellstens nach Hause zu gehen. Wir werden uns schon um ihn kümmern.”
    “Was wollt ihr denn tun?”
    “Das weiß ich noch nicht. Es hängt davon ab, was er tut. Jetzt aber fort mit dir.”
    “Aber Freddie, wo wirst du denn sein?” Nach dem unverhofften Wiederfinden war Lydia nicht bereit, sich so ohne weiteres von dem Bruder wieder zu trennen. Es erschien ihr wie ein Wunder. Aber der seltsame Unterton in den Worten des Bruders erschreckte sie zugleich.
    “Ach, mache dir deshalb keine Gedanken. Ich finde schon einen Weg, um euch zu benachrichtigen.” Freddie blickte rasch um sich, kletterte über die Düne und war in wenigen Minuten bereits außer Sichtweite.
    Lydia hockte indes noch ein Weilchen in der Sandgrube und dachte über das wunderbare Ereignis nach und

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