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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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war.
    “Und du bist dennoch entschlossen, ihn zu hassen?” erkundigte sich die Mutter freundlich, als Lydia geendet hatte.
    “Ja, und mit gutem Grund. All die Jahre mussten wir ohne Papa und Freddie in Armut leben. Und nach der Rückkehr Seiner Lordschaft hat er unser Leben noch mehr durcheinander gebracht.”
    “Es kommt darauf an, wie du es betrachtest, Lydia. Früher oder später hättest du dich ohnehin nach einem passenden Gemahl umsehen müssen …”
    “Aber es hätte nicht unbedingt Sir Arthur sein müssen”, fuhr Lydia trotzig dazwischen.
    “Er oder jemand seinesgleichen. Du kannst kein Traumbild heiraten, sondern einen Mann aus Fleisch und Blut.”
    “Ja, aber …”
    “Lydia, mein liebes Kind, ich weiß genau, wie du dich fühlst – wirklich. Du bist aufgebracht, verwirrt und hin- und hergerissen zwischen deiner Pflicht und dem, was du glaubst, dir zu wünschen.”
    “Aber warum ist die Pflicht nur so hart?”
    “Sie wird leichter werden. Ich war in deinem Alter in derselben Lage. Damals glaubte ich, einen Mann zu lieben, der ganz und gar nicht passend für mich war.”
    “Tatsächlich, Mama?”
    Die Mutter lächelte über Lydias Verwunderung. Warum glauben die Kinder nur immer, ihre Eltern seien keiner tieferen Gefühle fähig, dachte sie resigniert und sagte: “Er war ein Aristokrat, Erbe eines Titels und großer Besitzungen, und ich war nur die Tochter eines einfachen Arztes. Aus mir konnte man keine Countess machen. Beide Eltern hätten es nicht gestattet. Seine Eltern vereinbarten eine Verlobung mit der Tochter eines Herzogs, und meine Eltern arrangierten die Hochzeit mit deinem Papa.”
    “Aber du hast Papa doch geliebt!”
    “Ja, ich habe nach und nach gelernt, ihn zu lieben. Aber das war nicht von Anfang an so. Die Verbindung wurde als sehr günstig für mich betrachtet, weil dein Vater aus einer Familie mit einem erblichen Adelstitel stammte. Wenn er den Titel aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht erben würde, so bedeutete es doch, dass ich einen gewissen Rang hatte. Mein Vater wies mich auf meine Pflichten hin, und der Vater jenes bewussten jungen Mannes tat dasselbe mit ihm, und so entsagten wir einander.”
    “Hast du ihn nie wiedergesehen? Hat er den Titel geerbt?”
    “Ja, er wurde ein Earl und heiratete die Herzogstochter, und ich heiratete deinen Vater.”
    “Es war der Earl of Blackwater, nicht wahr?”
    “Ja.”
    “So sind die Gerüchte also zutreffend?”
    “Nein, Lydia, das sind sie nicht. Wir hatten uns nach der Hochzeit viele Jahre nicht mehr gesehen, bis dein Vater die Anstellung in Colston bekam. Er war so erfreut darüber, dass ich nichts dagegen einwenden konnte.”
    “Kannte er denn die ganze Wahrheit?”
    “Nein, ich habe ihm nichts erzählt, weil ich fürchtete, ihn damit zu verletzen. Er war ein guter und gottesfürchtiger Mann, ein liebender Gatte und ein nachsichtiger Vater, wie du weißt.”
    “Aber warum hat der Earl ihm die Stellung in Colston angeboten? Er musste doch wissen, dass es Schwierigkeiten geben könnte.”
    “Die vorherige Pfarrstelle war sehr dürftig, und wir hatten bereits fünf Kinder. Colston ist eine reiche Gemeinde. Der Earl wollte uns helfen. Und wir konnten uns doch aus dem Wege gehen mit Ausnahme der normalen nachbarlichen Beziehungen. Niemals haben wir uns etwas zuschulden kommen lassen, bis zu jenem Tag, an dem Freddie so töricht war, sich in ein Duell mit Ralph einzulassen. Da kam der Earl zu mir, und wir berieten gemeinsam, was zu tun sei. Alles andere weißt du ja.”
    “Aber danach bist du oft nach Colston Hall gegangen?”
    “Ich habe das doch schon erklärt. Die Countess tat mir leid, und ich ging hin, um ihr Gesellschaft zu leisten.”
    “Wusste sie etwas von dir und dem Earl?”
    “Ich weiß nicht. Aber ich glaube es nicht.”
    “Und sie ist auch nicht deinetwegen vom Dach gesprungen?”
    “Nein, sie war geistig verwirrt, Lydia, bereits seit Jahren.”
    “Aber du musst doch bei deinen Besuchen dem Earl begegnet sein.”
    “Nicht sehr oft, und dann haben wir uns auch nur höflich begrüßt. Bis zu jener Nacht, in der er starb, haben wir nie mehr über unsere Liebe gesprochen. Sie war ja nur noch eine Erinnerung, die mit jedem Jahr, das verging, mehr verblasste.” Die Mutter schwieg eine Weile, in Gedanken versunken, und fuhr dann fort: “Ich bin nicht unglücklich gewesen, Lydia. Ich liebte deinen Vater, und die Kinder waren mein Stolz und meine Freude. Wenn wir dem rechten Wege folgen, kommt auch das

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