Ballsaison: Palinskis siebter Fall
umgesehen, aber keine beleuchteten Fenster oder gar Personen entdecken können.
Nun ja, hatte er gedacht, vielleicht war das Fahrzeug, dessen ins Mark gehende Sirene immer näher kam, ja ganz woandershin unterwegs.
Wie auch immer, falls er etwas mehr über das Opfer und vor allem über Janina wissen wollte, dann musste er sich jetzt beeilen, hatte er gedacht und, ohne lange nachzudenken, die Brieftasche des Toten aus dessen innerer Sakkotasche herausgeholt.
In dem Moment war das Polizeifahrzeug in Palinskis Blickfeld aufgetaucht, mit Blaulicht und allem anderen, was dazugehört. Und hatte ganz präzise den Tatort angesteuert, an dem er sich befand. War es möglich, war ihm durch den Kopf gegangen, dass einer der beiden Verfolger des Opfers, die nach dem Unfall wie vom Erdboden verschwunden waren, die Polizei informiert hatte? Oder jemand anderen?
Jetzt waren ihm auch die Worte des Unfallopfers wieder eingefallen, niemandem zu trauen außer zwei Männern, deren Namen er schon wieder vergessen hatte. Palinski war an sich kein Anhänger von Verschwörungstheorien, aber die speziellen Umstände waren doch reichlich seltsam gewesen. Was, wenn der Sterbende die Wahrheit gesagt hatte? Und vor allem, warum sollte jemand in so einer Situation Lügen erzählen?
Und so hatte er plötzlich richtig Schiss bekommen. Angst, in diese Sache verwickelt zu werden, ohne mehr darüber zu wissen.
Manchmal ist Feigheit eine Schwester der Vernunft und eine Tochter der Weisheit. Und so hatte sich Palinski entschlossen, vernünftig und auch weise zu sein und so rasch wie möglich zu verschwinden. Und dabei hatte er ganz vergessen, die Brieftasche des Toten, in der sich immerhin auch mehr als 2.000 Euro und 400 Dollar befanden, wieder an ihren ursprünglichen Platz im Sakko des Mannes zurückzustecken.
Dass er fast in Panik davongelaufen war, weil ihm der Gedanke an die Polizei das erste Mal in seinem Leben irgendwie … Angst gemacht, scheinbar völlig unbegründete, schwere Bedenken gegen einen Kontakt zu diesem Zeitpunkt hatte, machte den Diebstahl zwar verständlich, entschuldigten ihn aber keineswegs. Von einem Profi wie Palinski konnte man wirklich eine überlegtere Reaktion erwarten. Oder war er möglicherweise gar nicht so sehr Profi, wie er sich selbst, aber auch alle anderen ihn immer wieder glauben machen wollten?
Nun gut, der Tote war ein gewisser Branko Miskovic gewesen, 38 Jahre alt und allem Anschein nach ein an der kroatischen Botschaft in Wien akkreditierter Diplomat.
Einige Fotos in einem Seitenfach der Brieftasche zeigten ihn mit einem kleinen, hübschen Mädchen, ob das Janina war? Drei Aufnahmen waren zweifelsfrei in bzw. in der Nähe von Dubrovnik aufgenommen worden. Vielleicht der Wohnort Janinas. Darum würde er sich später kümmern.
Last, but not least fand Palinski auch noch ein kleines Telefonverzeichnis, dem er neben anderen auch die Namen Jablovec und Szentosiewic entnehmen konnte. Er war sich ziemlich sicher, dass ihn der Sterbende an diese beiden Männer verwiesen hatte. Zumindest hatten die Namen ähnlich geklungen.
Vorsichtig wischte er die Brieftasche und sämtliche Papiere mit einem Taschentuch ab, um ja keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Am besten würde es sein, diesen Fund an die Polizei zu schicken. Anonym natürlich und von einem weit entfernten Postamt aus. Ja, so wollte er das Problem später am Tag lösen. Wenn die Angelegenheit einmal ausgestanden sein würde, konnte er immer noch Helmut Wallner beichten, was ihm da passiert war. Oder besser noch, dessen Frau Franca. Frauen waren verständnisvoller.
So, jetzt musste er sich nur noch das geheimnisvolle Päckchen vornehmen. Seinen Inhalt ergründen, immerhin war gerade vorhin ein Mensch dafür gestorben. Scheu, fast widerwillig legte er die Schachtel, eine von der Art, wie sie Juweliere zur Verpackung kleinerer, weniger wertvoller Geschenke verwenden, vor sich auf den Schreibtisch. Dann kappte er die kreuzweise angebrachten Klebestreifen mit dem Brieföffner, einem Geschenk Florians zu seinem letzten Geburtstag, genau dort, wo sie den Deckel am Unterteil der Schachtel fixierten.
Auf Watte gebettet lag da so ein kleines Tonband, wie man es für diese winzigen Diktiergeräte benötigte. Palinski besaß so ein Gerät oder hatte es einmal besessen. Er hatte aber nicht die geringste Ahnung, wo sich das gute Stück befinden konnte.
Na egal, so ein Ding würde sich morgen schon finden lassen, nein, heute, denn es war bereits knapp vor halb
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