Ballsaison: Palinskis siebter Fall
hatte, ihn von ihrer Schwangerschaft und der nachfolgenden Geburt zu informieren. Else
Pleschke hatte zwar nie verstanden, was die Geheimniskrämerei ihrer Tochter sollte, diese Macke bisher aber respektiert. Beinahe zumindest.
Daher wusste Sabine zwar, dass sie einen Vater hatte, sie war nicht nur in Biologie eine aufgeweckte Schülerin, kannte aber seinen Namen nicht. Vor einigen Wochen hatte sie ein Gespräch ihrer beiden Vorfahrinnen mitbekommen, ganz zufällig natürlich, und dann hinsichtlich ihrer väterlichen Wurzeln einen starken Verdacht geschöpft. Der sich schließlich nach der Sportsendung am letzten Samstag und einer raffiniert gestellten Fangfrage an die Oma, die keine Chance gehabt hatte, einer Antwort auszuweichen, zur absoluten Sicherheit verdichtet hatte. Endlich wusste sie nicht nur, wie ihr Vater hieß, sondern auch, wer er war, und sie freute sich darüber. Er war wirklich niedlich, kam im Fernsehen gut rüber und sah aus, als ob er sich über eine Tochter freuen würde. Dazu war er berühmt und schien eine Menge Kohle zu haben. Das war für Sabine zwar nicht sehr wichtig, konnte aber auch nicht schaden. Und den ultimativen Beweis für ihre Verwandtschaft gab es auch. Das linke, angewachsene Ohrläppchen. Ihres wie seines, sie hatte das bei einer Nahaufnahme ganz deutlich sehen können . Und sie kannte niemand anderen, dessen linkes Ohrläppchen angewachsen war und das rechte nicht. Über diese Laune der Natur verfügten nur sie und ihr Papa.
Da sowohl Mutter als auch Großmutter sie nach wie vor für blöde zu halten schienen und keinerlei Anstalten machten, ihr endlich reinen Wein einzuschenken, war es wohl langsam an der Zeit, selbst den ersten Schritt zu tun. So hatte Sabine, die deutlich über ihr Alter hinaus reif war, in den letzten Tagen heimlich und unbemerkt ihre Vorbereitungen getroffen.
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Als Frieda Martinek, die Büroleiterin von Rechtsanwalt Dr. Weghofer, wie jeden Tag gegen 8.45 Uhr die Kanzlei in der Nussdorferstraße betreten hatte, hatte sie nur mit Mühe einen hysterischen Anfall unterdrücken können. In den Räumen herrschte das totale Chaos, offenbar war während der Nacht eingebrochen worden. Der oder die Täter schienen etwas ganz Bestimmtes gesucht zu haben, denn sie hatten anscheinend sämtliche Schränke und Laden aufgebrochen, geöffnet und geleert. Die Portokasse mit immerhin 132, 58 Euro war dagegen unberührt geblieben. Das Einzige, dessen Fehlen Frieda sofort aufgefallen war, war der Picasso, der im Büro des Anwalts an der Wand gehangen hatte. Das war allerdings nur eine Kopie, ein Kunstdruck mit nur geringem Wert.
Ob sonst noch etwas fehlte? Diese Frage der Polizei konnte Frau Martinek nicht beantworten. Noch nicht, wie sie betonte, während sie sich akribisch genau jeden Schrank, ja jede einzelne Schublade vornahm und durchsuchte.
Zwischendurch versuchte sie immer wieder, ihren Chef telefonisch in seiner Wohnung zu erreichen. Bisher allerdings vergebens. Gut, Frieda wusste, dass Gerda Weghofer derzeit auf Kur in Montecatini war und ihr Chef das ausnützte, um ein wenig auf den Putz zu hauen. Da musste er natürlich in der Früh etwas länger schlafen. Na egal, in knapp zehn Minuten würde er ohnehin erscheinen, denn für 11.00 Uhr hatte sich der erste Mandant des Tages angesagt.
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Franca Wallner war nicht nur die Ehefrau von Oberinspektor Helmut Wallner, sondern und vor allem auch stellvertretende Leiterin der Kriminalabteilung am Kommissariat Josefstadt. In dieser Funktion hatte sie bereits gestern, gleich nachdem die inoffizielle Bitte der Zürcher Kantonspolizei um Amtshilfe eingegangen war, versucht, mit Daniela Mellnig zu sprechen, der Frau des ermordeten Schiedsrichters. Wie ihr ein Nachbar an der Adresse Laudongasse 6 mitgeteilt hatte, war die Frau vor zwei Tagen zu einer beruflichen Fortbildungsveranstaltung in die Steiermark gereist. Wann sie wieder zurückkommen wollte, hatte der alte Herr allerdings nicht gewusst.
Über den Arbeitgeber, eine Finanzierungs- und Vermögensberatungsgesellschaft, hatte Franca erfahren, dass Frau Mellnig an einem Seminar des Unternehmens auf Schloss Pichlarn im Ennstal teilnahm und erst gegen Mittag des nächsten Tages, also heute, in Wien zurück sein sollte.
Daraufhin hatte sie veranlasst, dass ein Kollege des zuständigen Polizeipostens die Witwe aufsuchte und ihr die traurige Nachricht über ihre Statusänderung überbrachte. Mit der nachdrücklichen Bitte, sich so rasch wie
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