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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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Zugänge in den für den Ball vorgesehenen Bereich drängte.
    Natürlich wäre die sofortige Absage des Balles, die großräumige Absperrung des Rathauses und die peinlich genaue Untersuchung des riesigen neugotischen Gebäudekomplexes die einzige verantwortungsbewusste und daher richtige Reaktion auf diese Situation gewesen. Das war allen Beteiligten völlig klar und vor allem auch das, was der inzwischen abgetauchte ›Janosz Szeged‹ erwartet hatte, damit seine Warnung an das Management des Einkaufszentrums auch mit der größtmöglichen Publizität befördert wurde.
    Aber was war schon richtig? Vor allem für das Image der Stadt, die heute wieder einmal im Fokus des globalen Interesses stand. Oder für die vielen in- und ausländischen Gäste, diese elegant gekleideten Männer und die wunderschönen Frauen in ihrem sündhaft teuren Nichts an Ballkleidern? Wäre es verantwortungsbewusst, all diese Menschen wieder nach Hause zu schicken, ohne ihre Erwartungen an einen lauen, wunderschönen und bis auf eine harmlose kleine Bombe in einem Kühlraum des ›Rathauskellers‹ völlig friedlichen Abend zu erfüllen? Durch die Absage eine Panik zu riskieren, die die Menschen zur unkontrollierten Lokalsuche in der Innenstadt veranlasst hätte?
    Eigentlich nein, fand der Bürgermeister und damit auch die überwiegende Mehrzahl der anderen Entscheidungsträger. Eine formale Schwierigkeit musste allerdings noch umschifft werden, ehe es lustig und unter Ausblendung des Geschehens im Kühlraum weitergehen konnte.
    Ein Wiener Landesgesetz statuierte in einem Zusatz zu einer Novelle, dass ›nach Anschlägen auf das oder im Rathaus Veranstaltungen aller Art erst nach einer ausführlichen Durchsuchung der betroffenen und aller sonstigen Räumlichkeiten stattfinden dürfen‹.
    Die Rechtskundigen unter den Anwesenden einigten sich auf Wunsch ihres obersten Bosses darauf, dass der Kühlraum im Restaurant zwar, technisch gesehen, im Rathaus lag. Aber juristisch nichts, aber schon gar nichts damit zu tun hatte. Eine Rechtsansicht, die sich der Bürgermeister rasch entschlossen aneignete und den weiteren Dingen einfach ihren Lauf ließ.
    Immerhin – ›Expect emotions‹. Es wurden ja nicht nur Gefühle erwartet, sondern auch deren Befriedigung. »And satisfy them«, das war eben Lattugas Art, aus halben Sachen ganze zu machen. Für Stadt, Land und … überhaupt. Im Nachhinein betrachtet, war der Bürgermeister richtig stolz auf sich.
    Daher wurde der Presseball 2008 programmgemäß um 22.00 Uhr von einem Jungdamen- und Herrenkomitee der ›Vereinigten Wiener Tanzschulen‹ eröffnet, und eine traumhafte Wiener Ballnacht nahm ihren Anfang.
    Als etwas enttäuschend wurde allerdings das heuer reichlich mickrige Dessertbuffet empfunden. Aber auch das konnte den rauschenden Erfolg der Nacht voll ›Musik, Charme und Schönheit‹, wie sie in den Vorankündigungen so blumig bezeichnet worden war, nicht wirklich beeinträchtigen.
    ›Alles Walzer‹, das zu Weltruhm gelangte sprachliche Unikum aus Wien, markierte in diesem Jahr den Beginn einer zweiten, ganz speziellen ›Ballsaison‹ im Juni.

     
    * * *
    Der kurze Abstecher in die Videothek war erfolgreich gewesen. Obwohl die Filiale in der Nähe von Francas Wohnung eigentlich auf fremdsprachige Filme spezialisiert war, hatte die Videothekarin oder wie immer man eine weibliche Mitarbeiterin in dieser Art Geschäft bezeichnete, ein Exemplar von ›Schlank und rank mit Gloria Schellenberg‹ gefunden. »Wir haben aber auch die Übermutter aller Aerobicvideos«, machte sie stolz aufmerksam, »das mit Jane Fonda. Ist allerdings schon eine Zeit her .«
    Zu Hause hatte sich Franca etwas zu essen und zu trinken gemacht und das Tablett auf den Couchtisch gestellt. Nun steckte sie das Band in das Abspielgerät, drückte die »Play«-Taste und machte es sich bequem.
    Jetzt musste sie nur noch auf Hinweise warten, vielleicht auch auf verräterische Details, die der Grund dafür waren, dass Serge Hiebler seine spontane Schenkung ebenso spontan unterlassen hatte.
    Nach dem ersten Durchlauf der etwa 35 Minuten dauernden, in mehrere Variationen aufgesplitteten Herumhüpferei war Franca außer einigen, wahrscheinlich unfreiwillig komischen Szenen, die auf eine schlechte Regie oder einen schlampigen Schnitt schließen ließen, nichts aufgefallen. Aber das hätte sie eigentlich auch nicht erwartet. Sie hatte Zeit und richtete sich auf eine längere Nacht ein. Helmut würde sicher nicht vor 2.00 Uhr

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