Ballsaison: Palinskis siebter Fall
als gleichzeitig auch für eine Recherche nutzen wollte. Sie machte sich auf den Weg nach Grinzing, um sich in der Café-Konditorei ›Mehlsack‹ ein wenig zu verwöhnen. In jenem Lokal, aus dem die bei Arthur Mellnig gefundene Kassenquittung vom 2. Juni über 12,60 Euro stammte. Für Konsumationen von zwei Personen, wie es aussah.
Nach einer Melange und einer Weinbergschnecke – ein spezielles Plundergebäck dieses Namens musste eine Grinzinger Konditorei wohl im Angebot haben – winkte sie die etwas unfreundlich wirkende Serviererin an den Tisch. Nachdem sie der etwa 50-jährigen Frau ihren Dienstausweis gezeigt und damit das vorhandene Grundmisstrauen der Guten entsprechend erhöht hatte, hielt sie ihr ein Foto Mellnigs unter die Nase. Das Bild, das sie von Anna Bader, der Schwester des ermordeten Schiedsrichters, erhalten hatte, war ziemlich aktuell, noch keine vier Monate alt, und zeigte den Mann mit einer Biertulpe in der Hand. Er prostete dem Fotografen oder der Fotografin lachend zu und hatte einen Teil der weißen Schaumkrone unter seiner Nase kleben. Ein dadurch weitgehend bedeckter, hauchdünner dunkelblonder Oberlippenbart fiel der Inspektorin jetzt zum ersten Mal auf.
»Kennen Sie diesen Mann ?« , wollte sie wissen.
»Nein, den hab ich noch nie gesehen«, schoss es aus Adele heraus, so nannte sich der unfreundliche Drachen laut Namensschild an der Bluse, ohne überhaupt einen Blick auf das Bild geworfen zu haben. »Tut mir leid«, fügte sie halbherzig hinzu.
»Sind Sie sich wirklich sicher ?« , Franca stellte diese Frage ganz dezidiert und in einem Tonfall, der in vielen ähnlichen Situationen schon einen Umdenkprozess bei den Befragten eingeleitet hatte. Der aber auch geeignet war, auftauendes Kühlgut sofort wieder auf die geforderten minus 18 Grad Kälte zu bringen.
»Lassen Sie mich noch einmal schauen«, was Adele wohl als Beweis gnädigen Entgegenkommens verstanden haben wollte, klang jetzt eher wie der Ruf des Ertrinkenden nach dem Rettungsring. Sie studierte das Foto viel zu lange, sichtlich bemüht, ihren Beitrag zur Polizeiarbeit über ein simples »Ja« hinaus aufzublähen.
Franca blickte auf die Quittung, sagte nur: »Tisch 5 am letzten Montag, exakt 11.34 Uhr, hilft Ihnen das weiter ?«
»Ja, ja«, bestätigte der gezähmte Drachen, »das ist der Freund vom Herrn Hiebler. Der hat sich in den letzten Wochen ein paar Mal hier mit ihm getroffen .«
»Wissen Sie, wo ich den Herrn Hiebler antreffen kann ?« , wollte die Inspektorin wissen. »Und hat er auch einen Vornamen ?«
»Er heißt Serge, glaube ich, oder Sergio oder so, und er wohnt irgendwo in der Strassergasse, gleich um die Ecke .« Adele war jetzt richtig aufgetaut und die Hilfsbereitschaft in Person. »Margie«, damit meinte sie ihre Kollegin hinter der Verkaufsbudel, »weißt du die genaue Adresse vom Herrn Hiebler ?«
»Ja«, Margies Antwort kam postwendend, »der Sersch wohnt in der Strassergasse 10 im 2. Stock. In der Hofwohnung.«
»Und, was meinen Sie? Ob er jetzt zu Hause sein wird ?« , wollte Franca wissen.
»Falls er keine Privatkunden hat, kommt er meistens so gegen 20.00 Uhr«, wusste Margie. »Da schaut er oft noch bei uns rein und holt sich etwas zum Naschen .« Sie lachte, so eine Mischung aus gequält und anzüglich. »Er ist schon ein Süßer, der Sersch .«
Die Inspektorin war geschult auf Zwischentöne und hatte kapiert, dass da noch etwas war. Sie war zwar nicht ganz sicher, ob sie richtig verstanden hatte, wollte aber noch etwas warten, bevor sie in diese Details ging. »Und was macht der Herr Hiebler beruflich ?«
»Er ist Fitnesstrainer und Pörsonelkotsch«, Margie wusste wirklich eine Menge, wenn auch nicht unbedingt, wie es geschrieben wurde.
»Und was ?« , Franca hatte zunächst wirklich nicht verstanden.
»Na, er kotscht reiche Leut, die alleinig zu faul sind, etwas gegen ihre Fettn z‘machn«, übersetzte die Seele der Konditorei die persönliche Dienstleistung, der sich Herr Hiebler verschrieben hatte. »Und sonst is er Trainer in so an Fitnessclub in der Nähe von Deutsch Wagram. A paar Videos zum Abnehmen hat der Sersch auch gmacht .«
»Sie sprechen offenbar von mir«, meldete sich eine sympathische Stimme vom Eingang her. »Was verschafft mir die Ehre Ihres Interesses ?« Ein etwa 35-jähriger Mann vom Typ ›sportlicher Schönling‹ war an Franca Wallners Tisch herangetreten. Jetzt auch noch ein Gespräch mit einem Zeugen, dessen Existenz sie vor einer Stunde bestenfalls
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