Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
Vom Netzwerk:
Suchwort ›Tauschmorde‹ eingegeben und erwartungsgemäß einen Hinweis auf Alfred Hitchcocks Film ›Strangers on the train‹ (1951) nach einem Roman von Patricia Highsmith erhalten. ›Fremde im Zug‹ handelte von zwei Männern, die sich in der Eisenbahn kennenlernten und im hypothetischen Plaudern übers Morden ins Grübeln kamen. Als dann etwas später die Frau des einen durch die Hand des anderen Mannes den Tod fand, erwartete dieser die gleiche Dienstleistung von dem jungen Witwer.
    Klang verrückt, was? Aber konsequent und ohne Fehler durchgezogen, hätte die Polizei da keine Chance. Nur gut, dass die meisten Menschen nicht konsequent genug waren. Und fehlerlos schon gar nicht.
    Was bedeuteten bloß die abrasierten Schamhaare? Palinski erinnerte sich dunkel an irgendetwas in der Mythologie. Aber in welcher? War es nicht der alttestamentarische Samson gewesen, in dessen Haaren seine Stärke steckte? War das Scheren der eher mickrigen Haarpracht an dieser Stelle Immensehs so zu verstehen, dass damit die sexuelle Kraft des Architekten vernichtet werden sollte? War das eine symbolische Kastration gewesen? Da wartete auch auf die Kollegen in der Schweiz einiges an heiklen psychologischen Recherchen.
    Hatte nicht Marianne vor einigen Tagen eine interessante Meinung dazu geäußert? Wie war das noch gewesen?
    »In beiden Fällen könnten die Toten durch das scheinbar sinnlose Verhalten des Täters, nämlich durch das Eindringen mit einem Schraubenzieher ins Gehirn bzw. durch das Abrasieren der Schamhaare, für ein früheres Fehlverhalten bestraft worden sein«, hatte sie gemeint. Und: »Das kleine Bärtchen im zweiten Fall könnte eventuell noch als zusätzliche Verächtlichmachung gesehen werden .« In beiden Fällen hatte sie auf Verrat als gemeinsamen Nenner getippt.
    Und Verrat verlangte nach Rache. Das bedeutete Hass als entscheidende Triebkraft. Falls Palinski das und die Zusammenhänge richtig deutete, dann musste die Frau des Architekten einen irrsinnigen Hass auf ihren Mann gehabt haben. Ebenso wie Serge Hiebler oder Daniela Mellnig auf Arthur. Vielleicht sogar beide? Aber warum? Wie konnte es kommen, dass ein Mensch einen anderen so hasste, dass er ihn zu Tode brachte?
    Das war der Teil seiner Arbeit, die ihm am meisten zu schaffen machte. Palinski liebte die überwiegende Mehrzahl der Menschen, mochte einige nicht und ein paar wenige überhaupt nicht, aber er hasste keinen Einzigen. Daher konnte er sich auch nicht in Menschen hineinfühlen, die hassten. Dementsprechend war ihm auch die bloße Vorstellung, einen anderen Menschen umzubringen, völlig fremd. Vielleicht wäre er im Falle von Notwehr oder Nothilfe dazu imstande. Aber geplant, kalt überlegt, vorsätzlich? Nie!
    Möglich, dass man so sehr verletzt werden konnte, musste, damit ein derart mörderischer, letztlich selbstzerstörerischer Hass entstand. Aber da konnte er, Gott sei Dank, nicht mitreden.
    Bei den vorliegenden beiden Fällen war Hass aber nur die eine Seite der Medaille. Denn, falls Franca Wallner recht hatte, und Palinski zweifelte nicht daran, dann war Hass nur der Antrieb zur Anstiftung zum Mord gewesen. Die Ausführung selbst war durch Personen erfolgt, die mit ihrem Opfer vorher in keinerlei erkennbarer Beziehung gestanden waren.
    Warum aber dann diese über die eigentliche Tötung hinausgehenden Handlungen? Die wiederum auf Rache schließen ließen. Waren diese rituellen Misshandlungen im Auftrag der Anstifter erfolgt oder waren es ersatzweise Rachehandlungen?
    Wo befanden sich die Schamhaare Immensehs jetzt eigentlich?
    Palinski hatte keine Antworten, die er Franca hätte geben können. Er hatte aber noch ein, zwei Fragen, die zu stellen den »Fall der beiden Fälle«, wie er die Geschichte für sich nannte, ein gutes Stück näher an seine Lösung heranbringen konnte.
    Palinski fühlte sich das erste Mal in den letzten Tagen wieder gut. Dieser intensive Exkurs in die Welt des gemeinen Verbrechens hatte gutgetan. So abartig das auch klingen mochte, aber das war sein Revier, in dem er Bescheid wusste. Der Garten, in dem er täglich lustwandelte.
    Die große, weite Welt der politisch motivierten Attentate hingegen, die ihn seit einigen Tagen gefangen hielt, war ihm fremd und unheimlich. Und dieses Gefühl, nicht wirklich etwas tun zu können, schrecklich.
    Hoffentlich konnte Wilma heute wenigstens einen Termin bei Brionigg erreichen. Und damit eine letzte Chance, mit Anstand aus der Scheißsituation, die er Don Vito zu

Weitere Kostenlose Bücher