Ballsaison: Palinskis siebter Fall
verdanken hatte, herauszukommen.
Der Gedanke daran hatte genügt, Palinskis Laune wieder in den Keller zu befördern. Angefressen griff er zum Telefon und rief Franca Wallner an.
* * *
Um sicherzugehen, dass die Botschaft aus dem Stephansdom und die auf einen leicht kritischen Kommentar in einer Tageszeitung reduzierte aus dem walzertanzenden Rathaus beim Management des ›Prater-EKZs‹ auch angekommen waren, hatte Konsul Emden noch ein E-Mail nachgeschickt. Die Nachricht war sowohl formell als auch inhaltlich so gehalten, dass die Verantwortlichen sofort eine außerordentliche Vorstandssitzung einberufen hatten. Zu der auch der gerade in Wien anwesende Mehrheitsaktionär Hans Jürgen Kehl geladen und in Begleitung seines Sohnes erschienen war.
Generaldirektor Wahlheimer vertrat im Gegensatz zu seinem Stellvertreter Dr. Eisner die Meinung, der Forderung des Erpressers nach den fünf Millionen Euro nachzugeben. »Die Ereignisse im Dom und auch im Rathaus beweisen, dass der Wahnsinnige nicht blufft. Und falls er wirklich bei uns eine Bombe zur Explosion bringen sollte, dann handelt es sich bei dem Betrag im Vergleich zu dem entstandenen Schaden nur um Peanuts. Die Versicherung zahlt in diesem Fall keinen Cent, da dieses Risiko ausdrücklich ausgenommen wurde .« Und dazu kamen noch der Imageschaden, Gewinnentgang und so weiter und so fort.
Dr. Eisner, der die Einstellung des Mehrheitsaktionärs kannte und auf eine steile Karriere im Kehlschen Konzern aus war, widersprach dem vehement. Als Meister in der hierzulande so beliebten Disziplin des Einschleimens äußerte der Vize-Chef ganz staatsmännisch genau das, was der Mehrheitsaktionär hören wollte, nämlich, dass man mit Terroristen nicht verhandeln sollte. Und wie erwartet blieb auch Kehl hart und lehnte jedes Eingehen auf die Forderungen »dieser Verbrecher« ab.
Dann sollte das Einkaufszentrum, das während der EURO 08 auch sonntags bis 22.00 Uhr geöffnet bleiben sollte, an diesem Tag zumindest ab 18.00 Uhr geschlossen werden, forderte Wahlheimer. »Damit wenigstens keine Menschen zu Schaden kommen, falls die Drohung wirklich wahr gemacht werden sollte«, wie er betonte.
»Sie sind mir ja ein Angsthase !« , donnerte ihn Kehl an. »Ich glaube, mit Ihrem Engagement ist mir ein Fehler unterlaufen. Kommt doch gar nicht infrage. Wer soll denn den Verdienstausfall bezahlen ?«
»Also Vater«, mischte sich jetzt sogar der bisher nur still dasitzende Johann Friedrich Kehl ein, »das ist doch zynisch .«
»Ach, halt doch den Mund! Du hast doch keine Ahnung vom Geschäft«, fuhr ihn sein Vater an. »Sei froh, dass du dabei sein darfst. Zu etwas anderem bist du ja nicht zu gebrauchen .«
Generaldirektor Wahlheimer hatte sich, was in seinem Alter und seiner Position echt rar war, noch einen kleinen Rest Gewissen und Würde erhalten. Und da seine Frau wohlhabend war, verfügte er auch über den Mut, sich dazu zu bekennen.
Er war während Kehls Ausbruch langsam aufgestanden, hatte seine Unterlagen zusammengepackt und sich langsam in Richtung Türe bewegt.
»Der Mann blufft doch nur !« , inzwischen brüllte Kehl nur mehr. »Ich werde mich selbst in der fraglichen Zeit im EKZ aufhalten und diesem Arsch trotzen. Wahlheimer, wohin wollen Sie ?«
»Ich bin eben von meinem Vertrag zurückgetreten. Wegen Verletzung der §§ 14 und 23«, verkündete der so Befragte würdevoll, wie sogar sein Kollege Eisner anerkennen musste. »Alles Weitere werden Sie von meinem Anwalt hören .«
Der Mann hatte die Türe erreicht, sie geöffnet und dann wieder geschlossen. Von außen.
»Sie sind fristlos entlassen, Sie Pfuscher, Sie Traumtänzer !« Kehls Gesicht war blutrot angelaufen, und die meisten Anwesenden hofften schon …
Aber so schnell, wie er in die Höhe gegangen war, hatte sich Kehl auch wieder beruhigt. »Wissen Sie was, Eisner ?« , meinte er zu dem bisherigen Stellvertreter, der sich schon auf der nächsten Karrierestufe sah. »Ich denke, ich werde Wahlheimers Funktion bis auf Weiteres selbst übernehmen. Ein bisschen Schwung in euren lahmen Laden hier bringen. Damit wir in Ruhe einen Nachfolger für diesen Versager suchen können .«
Typisch Vater, dachte Johann Friedrich Kehl, während er auf seinen Stock gestützt hinaus und aufs WC humpelte. Verstand es immer wieder brillant, mit einem einzigen Schlag mehr Menschen zu treffen als jeder andere, den er kannte. Aber eines Tages würde das dem Alten selbst auf den Kopf fallen. Das würde aber mehr als
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