Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Bürgermeister versuchte mehrere Male vergebens, mit den prominenten Besucherinnen gleichzeitig auf ein Foto zu kommen.
Der prominente Besuch ließ das alles mit beispielloser Geduld über sich ergehen und beantwortete zwischendurch sogar einige der intellektuell wirklich nicht sonderlich anspruchsvollen Fragen eines Vertreters des ›Waldviertler Botens‹. Zwischendurch umarmten sich Renata und Josefa immer wieder und waren sichtlich bewegt, hier das erste Mal in ihrem Leben aufeinandergetroffen zu sein. Mit einem Wort, es war berührend mit einer gewissen Tendenz zur Peinlichkeit.
Das änderte sich aber rasch, als Tante Mali schließlich energisch zu Tisch bat, mit dem unwiderlegbaren Argument, dass selbst ihre Waldviertler Knödel irgendwann zerfielen, wenn sie zu lange im heißen Wasser schwimmen mussten.
Einige Zeit nach dem köstlichen Essen, als sich kein Mensch mehr so richtig bewegen konnte, geschah dann das kleine Wunder, auf das Wilma den ganzen Tag gehofft hatte. Erika Fuscheé hatte sich in der Kraftarena den linken Knöchel verstaucht. Ein ungeschickter Schritt, und es war passiert gewesen. Das angeschwollene Fußgelenk schmerzte inzwischen doch in einem Maße, dass Tante Malis Helfersyndrom angesprochen wurde und sie veranlasst hatte, der »Frau Minister« einen speziellen Verband mit Kräutern anzulegen. Dieser kühlte wunderbar und linderte die Schmerzen, solange der Fuß nicht belastet wurde.
In einer halben Stunde sollte der Hubschrauber des Innenministeriums auf der großen Wiese hinter dem Hof landen, um Frau Brionigg und die Frau des Innenministers nach Wien und damit rechtzeitig zu dem abendlichen Besuch der Oper zu bringen. Vorher wollte sich Renata allerdings noch etwas Bewegung verschaffen, hatte aber vollstes Verständnis dafür, dass sich Erika Fuscheé unter Hinweis auf ihren Knöchel entschuldigte. Marianne Kogler, die auf wundersame Weise kapiert haben musste, worum es Wilma ging, blieb ebenfalls im Hause. Und so kam Wilma doch noch zu jenen paar Minuten alleine mit der Frau des slowenischen Ministerpräsidenten, mit denen sie nicht mehr zu rechnen gewagt hatte.
Und sie nutzte diese kurze Zeitspanne. Sie hatte keinen Plan, war aber wild entschlossen, alles zuzulassen bis auf eines: nämlich dass ihr Mario aus falsch verstandenem Pflichtbewusstsein oder was immer er in dem Zusammenhang verspürte, wegen Körperverletzung oder gar noch Schlimmerem ins Gefängnis musste. Also begann Wilma ganz einfach zu reden.
Sie berichtete der zunehmend aufmerksamer, ja gespannt wirkenden Renata von dem Gerücht über das Attentat, die vergeblichen Bemühungen Palinskis, damit Gehör zu finden, und seine verzweifelten Überlegungen, dieses quasi im Alleingang zu verhindern.
»Und das sind diese … Kokos… busseln ?« , ungläubig starrte Renata ihre neue Freundin an. »Sie meinen, da sind Shrimps mitverarbeitet worden? Von ihrem Mann?«
»Also eigentlich sind wir …« Egal, dachte Wilma, es war doch völlig unerheblich, ob und warum sie mit Mario seit mehr als 25 Jahren nicht verheiratet war. »Ja, das hat sich mein Mann ausgedacht«, sagte sie daher mit einem gewissen trotzigen Stolz. »So ist er eben, manchmal zumindest. Und ich finde, die Dinger schmecken köstlich. Ich weiß, dass Mario damit gewissermaßen ebenso ein Attentat auf Ihren Mann plant, aber bitte berücksichtigen Sie seine Motive .«
»Also, dieses Backwerk schmeckt wirklich hervorragend«, anerkannte Frau Brionigg, »haben Sie noch etwas davon ?« Dabei zwinkerte sie Wilma zu. Die wiederum holte das zweite, noch völlig unberührte Brandeck-Sackerl heraus und reichte es der Slowenin.
»Danke«, meinte Renata. »Und noch etwas. Wollen Sie und Ihr Mann nicht morgen zum Frühstück in unser Hotel kommen? Ante wird sich gewiss freuen. Sagen wir um 9.00 Uhr ?«
»JJJa !« , entfuhr es Wilma. Sie ballte die Faust dazu wie eine 17-Jährige und vollendete die Geste, die sie unlängst bei Harry beobachtet hatte. Die so aussah, als ob man mit viel Kraft an einer nicht vorhandene Notbremse zog. Irgendwie erschien ihr das jetzt passend zu sein.
»Ja, wir kommen sehr gerne. Danke, Renata .«
* * *
Elektrisiert starrte Palinski auf das von Franca telefonisch angekündigte Fax, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Soweit er beim ersten Durchlesen erkennen konnte, schien hier eine jener Verknüpfungen vorzuliegen, deretwegen er seinerzeit die Datenbank ›Crimes – Facts and Ideas‹ angelegt hatte.
Es war faszinierend.
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