Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Beziehungen?«
»Na ja, nur das, was man so mitbekam. Graf verlor relativ schnell das Interesse und trennte sich. Danach versuchte er meistens zu erwirken, dass die betroffene Frau die Firma verließ.«
»Kennen Sie eine Charlotte Eder?«
»Das ist schon lange her, ja, natürlich kenne ich sie. Sie hat später bei der Angra gekündigt.«
»Sie soll einen Sohn mit Anton haben. Quirin Eder.«
»Auch davon weiß ich nur aus Gerüchten. Aber bis vor Kurzem war er mir nicht persönlich bekannt.«
Baltasar richtete sich auf. »Heißt das, Sie haben ihn vor Kurzem kennengelernt?«
Kehrmann nickte.
»Er rückte vor ungefähr einem Monat zusammen mit Charlotte bei mir in der Werkstatt an. Ich war völlig überrascht, ich hatte Charlotte ja seit damals nicht mehr gesehen. Wir unterhielten uns ein wenig über alte Zeiten, und dann fragte sie mich, ob ich schon das Neueste über Graf wüsste, nämlich dass er beabsichtige, Vermögen zu transferieren.«
»Was haben Sie geantwortet?«
»Die Wahrheit. Was sonst? Dass ich von angeblichen Schiebereien nichts weiß. Sie meinte, ihrem Sohn stünde ein Erbe zu. Es wäre eine Gemeinheit, das Vermögen vor ihm zu verstecken, weshalb sie und ihr Sohn mit Graf zu reden gedachten. Ich hab keine Ahnung, ob es dazu noch gekommen ist.«
38
D ie Mitglieder des Bibelkreises hatten sich selbst übertroffen, um der Benefizveranstaltung einen attraktiven Rahmen zu geben.
Der Pfarrhof hatte sich in eine Kirchweih verwandelt. Vom Kirchturm hing eine Fahne herunter, auf der »Ich brauche Hilfe« stand, daneben war eine stilisierte Glocke gemalt. Die Stoffbahn bestand aus mehreren aneinandergenähten Leintüchern, die die Metzgerin Emma Hollerbach auf dem Dachboden gefunden hatte. Sie hatte eigens ihren Enkel engagiert, einen Bergsteiger, der sich vom Kirchturm abgeseilt und das Banner befestigt hatte.
Die Frau des Bürgermeisters hatte ihren Mann überredet, von Bauhof-Handwerkern kleine Bretterbuden zimmern zu lassen wie beim Weihnachtsmarkt, nur ohne Tannengrün und Glühwein. Überall standen Schilder, die darauf hinwiesen, dass sämtliche Einnahmen der Renovierung von Dachstuhl und Glocke zugutekamen.
Die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr spielte auf, die Metzgerin verkaufte an ihrem Stand Leberkäse, Wurstsemmeln und Bier. Victoria Stowasser schenkte Pichelsteiner Eintopf aus, dazu reichte sie Sesambrot. Karol, Jana und Lenka boten ihre Wurzelsepps feil, drapiert in Nestern aus Moos und Reisig, Pavel und Jan spielten in einer Ecke. Ministranten liefen mit Sammelbüchsen herum und baten um Spenden für den Wiederaufbau.
Baltasar hatte einen kleinen Marienaltar aufgebaut und die Holzstatue mit dem wertvollen Rosenkranz geschmückt. Selbst der liebe Gott schien das Vorhaben zu unterstützen, er hatte einen blauen Postkartenhimmel und strahlenden Sonnenschein spendiert, auch wenn es nicht besonders warm war.
Die Menschen drängten sich auf dem Platz. Die Ankündigung in der Lokalzeitung hatte offensichtlich ebenso gewirkt wie die Vielzahl der persönlichen Einladungen, die der Bibelkreis und Baltasar verschickt hatten. In der letzten Messe hatte Baltasar auf die Christenpflicht hingewiesen und alle darum ersucht, ein gutes Werk für die Gemeinde zu tun.
Besucher von außerhalb wurden möglicherweise auch angelockt durch die Gelegenheit, einen Blick auf das Haus des Mordopfers werfen zu können.
Der stärkste Magnet jedoch war zweifellos der Hinweis darauf, dass es »tolle Preise« zu gewinnen gäbe.
Das Zentrum bildeten zwei größere Ausstellungsflächen. Auf der einen war ein Stand aufgebaut, in dem Elisabeth Trumpisch Lose verkaufte. Die Gewinne waren gut sichtbar in Regalen angeordnet: ein Staubsauger, der auf den ersten Blick neu aussah, Kinderspielzeug, Vasen in allen Farben und Formen, Gläser, Wandteller, Trockengestecke, Kerzenhalter und gerahmte Kunstdrucke, Bücher, Gesellschaftsspiele, Stofftiere.
Auf der anderen Fläche stand ein Podest und darauf das Glücksrad, eine große Scheibe mit Nägeln, Ziffern und Symbolen. Man konnte die Scheibe drehen, und blieb die Bremszunge bei einem Symbol stehen, so hatte man etwas gewonnen. Agnes Wohlrab kassierte die Einsätze, bediente die Scheibe und rief dabei unermüdlich die Besucher herbei, engagiert wie eine Fischverkäuferin auf dem Wochenmarkt.
Baltasar drängte sich durch die Menge. Vor der Bude der Metzgerei stand eine lange Schlange.
»Wir brauchen dringend Nachschub, das Bier ist gleich aus«, sagte Emma Hollerbach,
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