Baltasar Senner 03 - Busspredigt
während sie einem Kunden zwei Schinkensemmeln einpackte und eine Flasche Bier in die Hand drückte.
»Ich habe Karol, Ihren Gast aus Polen, schon losgeschickt.« Ihr Gesicht glühte. »Wenn’s so weitergeht, wird das ein fröhlicher Tag!«
Aus der Menge hörte Baltasar, dass jemand ihn rief.
»Hallo, Herr Senner!«
Es dauerte einen Moment, bis er ihn unter all den Menschen ausmachen konnte, Rufus Feuerlein, den Direktor der Glasfachschule, der ihn zu sich herwinkte. Auch Franz Kehrmann und Louis Manrique waren mit von der Partie.
»Danke für die Einladung«, sagte der Künstler. »Wir konnten nicht widerstehen und sind gekommen. Und wir haben Ihnen sogar etwas mitgebracht.«
Er überreichte Baltasar eine Pappschachtel. Baltasar öffnete sie, darin war ein abstraktes Glasobjekt.
»Eine meiner frühen Arbeiten«, sagte Manrique. »Wir hoffen, dass Sie das Geschenk weise verwenden, Hochwürden, vielleicht nehmen Sie es für eine Auktion oder finden einen Käufer, der diese Rarität entsprechend entlohnt.«
Das Stück erinnerte Baltasar an eine andere Skulptur, er wusste nur nicht, wo er sie schon einmal gesehen hatte. War es in dem Schrank der Schule, der so genannten Gruft?
»Vielen Dank! Ich weiß gar nicht, wie ich mich erkenntlich zeigen kann.«
»Beten Sie für uns Sünder«, sagte Feuerlein und lachte. Kehrmann blieb stumm und starrte zu Boden. Vielleicht bereute er bereits die Unterhaltung mit Baltasar und die Informationen, die er preisgegeben hatte.
»Da hat also Anton gewohnt.« Der Schuldirektor betrachtete das Nachbargrundstück. »Einen schönen Flecken Erde hat er sich ausgesucht, ohne Frage.«
»Sieht irgendwie unheimlich aus«, meinte Manrique. »Vermutlich wirkt das so, weil es leer steht. Oder ist schon jemand Neues eingezogen, Herr Pfarrer?«
»Nein. Die Polizei hat das Gebäude versiegelt und noch nicht freigegeben. Außerdem ist unklar, was der Erbe damit vorhat.«
»Da gibt es vermutlich etwas zu erben«, sagte Feuerlein. »Wie hoch wohl das Vermögen ist und aus was es besteht? Anton war immerhin Besitzer einer Glasfabrik.«
»Erwarten Sie sich selbst etwas aus dem Nachlass?« Baltasar stellte die Frage so, dass sich alle drei Männer angesprochen fühlten.
»Ich? Bei Gott, das ist mir egal«, meldete sich Kehrmann zu Wort. »Friede seiner Asche.«
»Wie gesagt, interessieren würde mich, wie viel es ist«, sagte Feuerlein. »Da siegt dann meine Neugierde, wenn ich mich frage, was er aus dem Desaster von damals für sich privat retten konnte.«
Manrique rümpfte die Nase.
»Fragt sich nur, ob das Vermögen, wenn es denn eines gibt, wirklich Grafs Vermögen ist.«
»Zerbrecht euch nicht den Kopf, wir erben eh nichts«, sagte Kehrmann. »Ihr könnt euch ja später bei den Begünstigten danach erkundigen.«
»Jedenfalls gehen wir nachher auf den Friedhof und besuchen Antons Grab«, sagte Feuerlein. »Nachdem Sie uns ermahnt haben, respektvoller gegenüber Toten zu sein, Hochwürden, werden wir vorher ein paar Blumen besorgen.«
»Ich bin zwar nicht sehr gläubig, aber wir könnten doch eine Messe für ihn lesen lassen oder so was«, meinte Manrique. »Oder wir stiften eine Kerze, Flammen haben etwas Symbolisches, ewiges Licht, ich habe das schon einmal in einem Glaskunstwerk zum Ausdruck gebracht.«
»Ich bringe Ihr Geschenk ins Pfarrheim. Nochmals danke für Ihre Unterstützung.«
Baltasar war froh, den dreien entkommen zu können.
Als er sich wieder in den Trubel mischte, sah er eine Gruppe Jugendlicher auf dem Boden sitzen.
»Da schau her! Dass ihr euch hergetraut habt«, sagte Baltasar, »wo doch fast nur Erwachsene und Spießer auf diesem Fest rumlaufen.«
Jonas Lippert hielt ihm zur Begrüßung eine Bierflasche entgegen. Den anderen Arm hatte er um die Schultern von Marlies Angerer gelegt.
»Wir dachten, hier gibt’s was umsonst und Musik zum Abhängen.« Er nahm einen Schluck und rülpste. »Aber die Band ist voll retro, die Klamotten uncool, das Bier kostet was, und was ist mit der Party?«
»Ich spendiere Ihnen eine Cola, wenn Sie wollen«, schlug Baltasar vor.
Auf der anderen Seite neben Marlies saß Valentin Moser. Er blieb still.
»Wollen Sie mich vergiften? Dieses zuckrige Dreckszeug! Ich bleib lieber beim Bier. Ich dachte, es ist für den Herrn Pfarrer, es ist für einen guten Zweck, also soll ein Euro hin sein, oder auch zwei. Ich werd noch ordentlich trinken, Hochwürden, versprochen, damit Sie was einnehmen für Ihre …«, wieder ein Rülpsen,
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