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Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Appell, am Ende der Messe die Herzen und Geldbeutel zu öffnen und für die Restaurierungsarbeiten am Kirchturm zu spenden, gerne auch per Überweisung.
    Die Gesichter der Kirchenbesucher blieben unbewegt. Weder begeistertes Strahlen noch zustimmendes Nicken. Eine Frau in der vorletzten Reihe gähnte, ihre Nachbarin nestelte an ihrem Kragen. Und ein Mann – Baltasar kannte ihn nicht – stand sogar auf und stahl sich hinaus. Unverschämt! Das hatte er noch nie erlebt!
    In seiner Predigt legte er nach und sprach von der Nächstenliebe und der christlichen Barmherzigkeit des Teilens, so wie der heilige Martin seinen Mantel teilte. Die Kirche wäre nichts ohne ihre Mitglieder und könnte nur überleben, wenn die Gläubigen sie unterstützten. Jesus habe Bedürftigen geholfen und den Reichtum verdammt. Im Stillen fügte Baltasar hinzu, diese Botschaft sei leider bei Bischof Siebenhaar bisher nicht angekommen.
    Während die Gemeinde sang, ließ Baltasar die Ministranten mit dem Klingelbeutel herumgehen. Er hatte sie angewiesen, länger als sonst vor den Besuchern stehenzubleiben und jeden aufmunternd anzusehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie die Besucher in ihren Börsen kramten und sich umsahen, ob die Nachbarn begutachteten, wie viel man gab.
    Nach dem Segen eilte Baltasar zum Portal, stellte sich neben den Opferstock und verabschiedete die Gäste. Kaum jemand gab ein zweites Mal Geld, die meisten verdrückten sich nach einem kurzen Gruß.
    Bürgermeister Xaver Wohlrab zog ihn zur Seite.
    »Schöne Predigt, Hochwürden, wirklich ergreifend. Jeder Marketingmanager würde Sie bewundern. Ich entdecke immer wieder neue Seiten an Ihnen.«
    »Unser Kirchturm ist mir ein Anliegen. Dafür lohnt der Einsatz. Oder soll ich künftig auf dem Dach Lautsprecher installieren und den Ort damit beschallen?«
    »Sie haben schon recht, die Glocken sind unsere Tradition. Obwohl manchmal am frühen Morgen, wenn man noch schläft …«
    »Das ist nur sonntags der Fall. Und so bald erklangen die Glocken nun auch wieder nicht.«
    »Stimmt schon, stimmt schon, ich mein ja nur … Übrigens habe ich eine Idee, wie die Gemeinde Ihnen bei der Reparatur noch mehr unter die Arme greifen könnte.«
    »Tatsächlich?« Baltasar misstraute den scheinbar großzügigen Angeboten des Bürgermeisters, er hatte in der Vergangenheit so seine Erfahrungen damit gemacht.
    »Nun, dazu bräuchte ich lediglich Ihre tatkräftige Mithilfe, Herr Pfarrer.« Wohlrab setzte sein Verkäuferlächeln auf. »Es ist nichts Besonderes, im Gegenteil. Sie erhalten die Chance, Ihre Pfarrgemeinde deutlich auszudehnen. Wo passiert das noch in der heutigen Zeit, in der alle aus der Kirche austreten? Das ist doch eine elementare Aufgabe für jeden Priester, oder nicht?«
    »Wollen Sie Kaffeefahrten organisieren? Soll ich einen Vortrag halten?«
    »Immer einen Scherz auf den Lippen, der Herr Senner. Ich mache Ihnen ein einmaliges Angebot, um die Zahl Ihrer Schäfchen zu erhöhen. Denken Sie nur daran: neue Kirchensteuerzahler. Das wird Ihren Dienstherrn in Passau freuen, da gibt es sicher ein dickes Lob.«
    »Sie haben mir immer noch nicht erzählt, um was es eigentlich geht.«
    »Nun, dazu muss ich ein wenig ausholen. Sie wissen, Hochwürden, dass mir als Bürgermeister dieses Ortes alles daran gelegen ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen.«
    Baltasar antwortete nicht darauf.
    »Deshalb bin ich ständig auf der Suche nach Investoren, die sich in unserer Gemeinde niederlassen wollen.« Wohlrab hob beschwörend die Hände. »Ich muss Ihnen nicht sagen, wie schwierig das ist, Geldgeber für uns zu begeistern. Sie wissen es selber: Die Bayerwälder sind gläubig und gutmütig, aber wenn’s um ihre Finanzen geht …«
    Der Bürgermeister spielte auf die Eigenheit der Bewohner an, ihre Kirche zu lieben, aber noch mehr das Geld, vom dem sie sich nur schwer trennten. Wahrscheinlich war dieser Charakterzug auch deshalb so tief in den Menschen verwurzelt, weil der Landstrich zu den ärmeren Gegenden zählte, seit Jahrhunderten geprägt von Landwirtschaft, Holzverarbeitung und Glashütten. Gut bezahlte Arbeit war seit jeher selten gewesen.
    »Es ist eine Befriedigung für mich, eine neue Chance für unseren Ort erschlossen zu haben«, sagte Wohlrab.
    »Nun rücken Sie schon damit raus.«
    »Ich will Senioren eine neue Heimat geben. Die Menschen leben immer länger, und sie fallen ihren Verwandten oft zur Last. Das muss nicht sein.« Sein Tonfall nahm etwas Salbungsvolles an. »Die

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