Baltasar Senner 03 - Busspredigt
es kein Entrinnen gab. Vorsichtshalber stellte er einen Krug Wasser und eine Flasche Weißburgunder aus Baden in Reichweite. Wie ein Verurteilter vor der Verkündung der Strafe nahm er am Küchentisch Platz und harrte der Dinge.
»Was gibt es denn heute?« Er versuchte, freundlich zu klingen.
»Ich gemacht polnisches Nationalgericht, Bigos, Rezept meiner Großmutter, mit meinen eigenen Verfeinerungen, das sein Ideen aus dem Bayerischen Wald. Also das Beste aus beiden Ländern zusammengerührt.«
Sie hob den Deckel des Kochtopfes ab. Dampf stieg auf und verbreitete einen säuerlichen Geruch im Raum. Ohne dass Baltasar es verhindern konnte, setzte sich dieser saure Dampf in seiner Nase fest und blockierte für einen Moment die Atemwege. Er versuchte, die Luft anzuhalten, gab es jedoch bald wieder auf. Denn mittlerweile hatte Teresa seinen Teller mit der Masse gefüllt: braune Wollfasern, die sich bei näherer Untersuchung als Sauerkraut herausstellten, und undefinierbare Stücke von fester Konsistenz, es konnten Fleischbrocken sein, aber auch gepresster Torf oder eingeweichte Holzschnitze. Dazwischen verbargen sich kleinere Brösel von dunkler Färbung. Baltasar tippte auf Erdklumpen oder gefrorene Rosinen.
Schon der erste Bissen führte dazu, dass sich sein Mund wie bei einem Vakuum zusammenzog, zu streng war die Säure. Das hatte zumindest den Vorteil, dass er den zweiten Bissen gar nicht mehr schmeckte, die Geschmackssensoren hatten ihren Widerstand aufgegeben und ihre Arbeit einfach eingestellt.
»Gut, nicht?« Teresa beobachtete seine verzweifelten Schluckbewegungen. »Nicht so schnell, Sie können sonst das nicht richtig genießen.«
Baltasar nickte und versuchte ein Lächeln, brachte aber nur eine Fratze zustande. »Das schmeckt … wie soll ich sagen … ganz … ganz … mir fällt das passende Wort nicht ein … ungewöhnlich.« Er achtete darauf, möglichst gleichmäßig zu atmen.
»Wusst ich doch, dass Sie Bigos lieben, so wie alle Polen.« Sie klatschte in die Hände. »Noch einen Nachschlag?«
»Was … Was ist denn da alles drin?«
»Na, Schweinefleisch eben, und Krakauer und Schlesische Wurst, was ganz Leckeres, haben ich früher immer gegessen. Nur das Brot fehlt noch. Möchten Sie eine Scheibe?«
Baltasar winkte ab. Das Kraut fühlte sich glitschig auf der Zunge an, wie in Fett gebadet, seine Zähne hatten Mühe, die Würste zu durchdringen, immer wieder stießen sie auf elastische Teile, die sich dem Zerkleinern widersetzten.
»Sie haben sich wirklich Mühe gegeben.« Er brachte es nicht übers Herz, Teresa die Wahrheit zu sagen. »Was ist an dem Rezept eigentlich typisch niederbayerisch?«
»Das Schweinerne hab ich auf dem Markt gekauft, auch die getrockneten Pilze, die sollen aus der Gegend vom Großen Arber stammen, sagt die Verkäuferin.«
Die Marktfrau hat nur nicht verraten, aus welchem Jahrhundert das Fleisch war, dachte Baltasar.
»Herr Senner, wie steht es denn mit Neuigkeiten zu unserem Nachbarn, hat die Polizei den Mörder schon gefasst?« Teresa setzte sich zu ihm an den Tisch. »Traurig sein das mit Herrn Graf. War so ein netter Mensch, hat immer so freundlich gegrüßt, Komplimente gemacht, wenn ich ihn getroffen habe.«
Baltasar berichtete von den Ermittlungen. »Aber ich weiß nicht, ob die Polizei schon neue Erkenntnisse hat. Die sind nicht sehr mitteilungsfreudig. Wann haben Sie denn Anton das letzte Mal gesehen?«
»Einen Tag, bevor er … ums Leben gekommen ist. Er stand am Gartenzaun und winkte mir zu. Und natürlich beim Unfall auf dem Kirchturm, als wir Sie heruntergetragen haben.«
»Mir ist eigentlich nie aufgefallen, ob Anton viel Besuch hatte, von seinem Sohn Quirin beispielsweise«, sagte Baltasar. »Das klingt komisch, aber irgendwie habe ich nicht darauf geachtet.«
»Also der junge Mann, der der Sohn unseres Nachbarn sein soll, den habe ich nie vorher gesehen, ganz bestimmt nicht. Erst nachdem Sie ihn in dem Haus erwischt haben, sein diebische Elster, dieser Sohn.«
»Er hat doch gar nichts mitgenommen. Wahrscheinlich gehört ihm sowieso bald alles.«
»Doch, dieser Mann sein kurz danach noch mal mit dem Fahrrad zurückgekommen, ich hab’s aus dem Fenster im ersten Stock gesehen.«
»Er wird was vergessen haben.«
»Trotzdem, ich glaube, sein diebische Elster. Einbrechen in ein fremdes Haus tut man nicht!«
»Seien Sie nicht so streng mit ihm. Er ist noch jung.«
»Seien Sie nicht zu milde mit ihm, er ist noch jung.«
Baltasar nahm einen
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