Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Gott, Sie machen’s ja richtig spannend.« Baltasar schüttelte seinem Gegenüber die Hand. »Sie haben meine Neugierde geweckt.«
»Mir ist nicht aus dem Kopf gegangen, was Sie über die Jugendlichen im Park berichtet haben, Herr Senner. So etwas darf bei uns nicht passieren.« Seine Stimme nahm an Lautstärke zu. Die beiden Damen am Fenster drehten sich zu ihnen um und steckten danach tuschelnd die Köpfe zusammen. Vermutlich liefern wir ihnen jetzt Gesprächsstoff für den Rest des Tages, dachte Baltasar.
»Wahrscheinlich war dieser Junge mit dem Schlagring betrunken«, antwortete er, »das soll bei Menschen gelegentlich vorkommen – und nicht nur bei Jugendlichen.«
»Wir sind hier im Bayerischen Wald, nicht in einer Favela in Rio de Janeiro«, fuhr Weinberger fort, diesmal leiser. »Raufereien meinetwegen, und dass bei einem Volksfest jemand im Suff mit dem Bierkrug zuschlägt, na ja, das ist nicht schön, gehört aber irgendwie auch dazu. Doch Attacken mit einem Schlagring, das geht entschieden zu weit. Dagegen muss man einschreiten.«
»Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Zur Polizei gehen und Anzeige erstatten?«
»Genau das wäre das Richtige. Jemand muss diese jungen Leute zur Rechenschaft ziehen und ihnen die Grenzen aufzeigen, bevor es zu spät ist. Ich hab viel Verständnis für die Flausen von Jugendlichen, schließlich war ich selbst mal jung. Aber genug ist genug, bei Gott.«
»Spricht Gott nicht auch von Barmherzigkeit und Vergebung?«
»Vorher muss jedoch die Einsicht und die Reue stehen. Die sehe ich in diesem Fall allerdings nicht. Sie als Betroffener, besser gesagt als Opfer, Sie sollten reagieren und nicht passiv bleiben.«
»Selbst wenn ich zur Polizei gehen würde, käme wahrscheinlich nichts dabei heraus, denn es ist fraglich, ob die sich bemühen, die Angreifer ausfindig zu machen.« Baltasar schüttelte den Kopf. »Außerdem stünde immer noch Aussage gegen Aussage. Und die Mitglieder der Clique werden wohl kaum einen aus ihren Reihen anschwärzen.«
»Aber es wäre ein Warnschuss für die Jugendlichen. Sie würden sich künftig zweimal überlegen, ob sie einfach so Unbeteiligte attackieren.« Weinberger beugte sich über den Tisch. »Deshalb habe ich mich diskret umgehört, bei Mitgliedern meiner Gemeinde und den Ministranten. Und ich habe Namen für Sie.« Selbstzufriedenheit troff aus seinen Worten.
»Tatsächlich? Respekt, Sie sollten sich bei der Kripo bewerben.« Baltasar lächelte.
Der Pfarrer tat es mit einer Geste ab. »Das ist meine Christenpflicht. Also, der Schlagringbesitzer heißt Jonas Lippert, wohnt allein und ist arbeitslos. Bei dem Mädchen handelt es sich wahrscheinlich um Marlies Angerer, sie macht gerade eine Ausbildung auf unserer Glasfachschule hier in Zwiesel.«
»Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Ich werde mich darum kümmern, versprochen.«
»Sie gehen also zur Polizei?«
»Ich werde zuerst einige Erkundigungen einziehen. Eine Anzeige wäre für mich erst ein letzter Schritt, Herr Weinberger. Haben Sie auch Informationen darüber, wann sich die Gruppe normalerweise trifft?«
»Das ändert sich ständig. Die jungen Leute verabreden sich heutzutage über ihre Handys und über diese Internetangebote, mir fällt gerade der Name nicht ein, Sie wissen schon.«
»Vielleicht habe ich Glück und erwische sie jetzt.«
»Bloß nicht! Haben Sie vergessen, wie es Ihnen ergangen ist? Plötzlich haben Sie dann ein Messer im Bauch, nicht auszudenken, so was.«
»Ich passe schon auf mich auf. Es ist ja kein Naturgesetz, dass die Menschen immer auf dieselbe Weise reagieren.«
»Sie sind erwachsen, Herr Senner, da müssen Sie selbst wissen, was Sie tun, obwohl ich, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, Ihr Verhalten nicht gerade als erwachsen bezeichnen kann. Ich werde für Sie beten.«
Weinberger rief die Bedienung und zahlte.
*
Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, überlegte Baltasar, wo er mit der Suche beginnen sollte. Die Gasthäuser und Cafés am Stadtplatz fielen aus. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Jugendlichen seelenruhig beim Schweinsbraten saßen oder Buttercremetorte löffelten.
Er probierte es also zuerst bei den Tankstellen in Stadtnähe, die auch alkoholische Getränke verkauften. Er fragte die Angestellten, ob sie eine Gruppe Jugendlicher gesehen hätten, doch man begegnete ihm mit Verständnislosigkeit und Misstrauen.
Er ging langsam über den Parkplatz vor einem Supermarkt, bis Autos ihn laut
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