Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Schluck Wasser. »Bei Anton hatte ich immer den Eindruck, er führte ein stilles Leben, zurückgezogen in seinem Schneckenhaus.«
»Die Leute, die ich gesehen habe, waren alles Fremde. Meist ältere Herren, gut gekleidet.«
»Und Frauen?«
»Tagsüber könnte ich mich nicht erinnern, jemanden bemerkt zu haben, andererseits habe ich nicht darauf geachtet. Und Herr Graf ist viel mit dem Auto weggefahren.«
»Was meinen Sie damit, Teresa, war es abends anders?«
»Ich mehrmals mitgekriegt, wie nachts Auto vorfuhr und Frauen ins Haus gegangen sind.«
»Und?«
»Ich nicht wissen, ich nicht auf die Lauer gelegt.«
»Ich meine, waren es private Besuche oder geschäftliche?«
»Meinen Sie Damen, die gegen Bezahlung arbeiten?« Teresa gluckste.
»Äh … Ich meine, hatten Sie den Eindruck, dass es Freundinnen von Anton waren?«
»Einmal, zweimal ich zufällig gesehen, wie Frau erst am nächsten Morgen wieder weggefahren ist.«
»Hatte er ein Verhältnis? Wirkte es so auf Sie?«
»Es waren mindestens zwei verschiedene Damen. Und bedeutet ein Abschiedskuss ein Verhältnis?«
»Mir hat Anton nie was von einer Frau oder einer Freundin erzählt. Warum diese Heimlichtuerei? Er hatte doch nichts zu verbergen.«
»Vielleicht aber die Frauen?«
»Aber das hätte ich doch erkennen müssen, sei es aus Andeutungen oder aus Bemerkungen, aber da war nichts.«
»Männer sein nicht immer besonders sensibel bei solchen Themen.« Die Haushälterin hob die Hände, als wollte sie den lieben Gott als Zeugen anrufen. »Männer und Frauen, das ist wie Wodka und Kräutertee. Zeigen Sie mir einen sensiblen Mann, und ich pilgern nach Tschenstochau!«
»Warum hat die Polizei dann noch keine Hinweise auf geheime Freundinnen gefunden? Die Frauen müssten sich längst gemeldet haben, schließlich haben die Zeitungen ausgiebig über den Fall berichtet.«
»Das Sie müssen die Herren aus Passau fragen. Außerdem, wer weiß, vielleicht ist die Beziehung längst beendet, oder die Frauen wohnen gar nicht hier.«
»Oder sie stammen von hier und haben Angst aufzufliegen«, entgegnete Baltasar. »Möglicherweise sind sie verheiratet und sorgen sich wegen der Konsequenzen.«
»Sie doch in Herrn Grafs Haus waren. Ist Ihnen da was aufgefallen? Frauen brauchen auch eine Zahnbürste oder Unterwäsche oder Schminksachen, die lebensnotwendigen Dinge eben.«
»Nein, bemerkt habe ich nichts, aber auch nicht danach geschaut.«
»Herr Senner …« Teresa zupfte an dem Ärmel ihres Pullovers. »Herr Senner … Ich …«
»Was ist, Teresa?« Diese plötzliche Verlegenheit passte gar nicht zu ihr.
»Ich haben eine Frage, eine Bitte.« Sie blickte an ihm vorbei. »Ich mich nicht trauen …«
»So schlimm wird’s doch nicht sein. Oder wollen Sie beichten?«
»Nein, nein«, antwortete die Haushälterin. »Es ist nur … ich …«
»Also raus damit.«
»Ich habe Post bekommen von … von meinen Cousin aus Krakau …«
»Wie nett, dass er Ihnen schreibt.«
»Er … Er wollen mich besuchen.«
Baltasar gab Teresa einen Klaps auf den Arm. »Wunderbar, da können Sie was Feines aus der Heimat für ihn kochen, sich mal richtig ausleben mit Ihren Rezeptkreationen. Das wird Ihren Cousin sicher freuen.«
Er gestand sich ein, dass diese Vorstellung ihn hoffen ließ: Wenn Teresa genug mit Gerichten herumexperimentiert hatte, mit ihrem Cousin als ahnungslosem Versuchskandidaten, dann würde ihre Lust auf polnische Speisen ja vielleicht nachlassen – vorübergehend zumindest.
»Sie müssen wissen, er haben wenig Geld, sein arbeitslos. Deshalb braucht er … eine Unterkunft.«
»Sie meinen, ob er bei uns übernachten kann? Wir haben doch ein Gästezimmer, ich sehe da kein Problem. Ihr Cousin ist herzlich willkommen.«
»Wirklich?« Sie sprang auf und fiel ihm um den Hals. »Dann ich gleich heraussuchen Originalrezepte aus dem Bayerischen Wald! Mein Cousin sicher nicht kennen!«
16
D er Anruf des Zwieseler Stadtpfarrers hatte Baltasar überrascht. Er habe Informationen für ihn, wegen des Angriffs im Stadtpark, hatte der Kollege gesagt, Baltasar möge doch bitte vorbeischauen, dann erfahre er mehr.
Also hatte sich Baltasar ins Auto gesetzt und war nach Zwiesel gefahren.
Hans Weinberger erwartete ihn in einem Café am Stadtplatz. Er hatte einen Tisch in der Ecke gewählt, das Lokal war fast leer, nur zwei Rentnerinnen saßen am Fenster und schauten hinaus, kommentierten die Kleidung der Passanten, nebenbei immer wieder an ihrem Tee nippend.
»Grüß
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