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Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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gelegt. Es war zwar noch unklar, wer für die Kosten aufkommen würde, doch Baltasar war optimistisch, dass die Erben seines Nachbarn dafür geradestehen würden.
    Er hatte die Kirche mit Blumen aus Antons Garten geschmückt, Efeu und Buchszweige dazu gesteckt, ein Foto des Verstorbenen stand auf einer Staffelei neben dem Altar.
    Als Weihrauch hatte er die Sorte Hourgari gewählt, erste Qualität aus dem Oman, vermischt mit zerriebenem Tulsikraut und einer Prise Kandea. Er hatte die Ministranten angewiesen, das Turibulum kräftig zu schwenken, der würzige Rauch erfüllte den Raum, jeder Atemzug war eine Wohltat. Und wenn man erst einige spezielle Substanzen untermischte, fühlte man sich wie einer der Heiligen Drei Könige. Ja, Weihrauch war ein Gottesgeschenk.
    Die Kirche war gesteckt voll, kein Platz war mehr frei, was Baltasar überraschte, da es ja ein normaler Arbeitstag war. Aber vielleicht war eine Beerdigung ein willkommener Anlass, sich dienstfrei zu nehmen. Oder war es die Vorfreude auf den Leichenschmaus, die die Leute jetzt in die Kirche trieb? Doch Baltasar hatte bei Victoria Stowasser nur Kaffee und Kuchen bestellt und sie zugleich um Zahlungsaufschub gebeten, denn in der Gemeindekasse war dafür momentan kein Geld übrig.
    Einige der Frauen nahmen die Beerdigung auch als willkommene Gelegenheit, ein besonderes Gewand aus dem Schrank zu holen und sich damit in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
    Solche Gelegenheiten waren selten, es gab weder Oper noch Theater in der Nähe, somit blieben nur kirchliche Trauungen, Taufen oder eben Begräbnisse.
    Selbst Quirin Eder in der ersten Reihe trug der Zeremonie gemäß eine schwarze Jeans mit schwarzem Hemd. Neben ihm saß eine zierliche Frau mit halblangem Haar und hochgeschlossenem Kostüm, die Baltasar noch nie gesehen hatte, vermutlich Quirins Mutter. Er nahm sich vor, sie nach dem Gottesdienst anzusprechen.
    Neben Eder saß Bürgermeister Xaver Wohlrab mit seiner Frau Agnes, die einen extravaganten Hut trug, auf den ersten Blick erinnerte er an ein Vogelnest. In der zweiten Reihe hatten es sich Sparkassendirektor Alexander Trumpisch und seine Gattin bequem gemacht. Auf den anderen Bänken saßen die üblichen Gottesdienstbesucher, Rentner, für die ein Begräbnis eine Abwechslung war, Landwirte, die es als willkommene Pause sahen, und natürlich die vielen Neugierigen, die selbst einmal dabei sein wollten, wenn ein Mordopfer beerdigt wurde, das war spannender als ein »Tatort« im Fernsehen.
    Baltasar wiederholte seinen inszenierten Aufruf zur Spendenaktion und setzte die Stereoanlage mit dem Glockenläuten in Gang, ein unüberhörbarer Hinweis, doch bitte schön weiter für die Renovierung des Kirchturms zu sorgen.
    Der Herr hat uns errettet vor unseren Feinden
    und aus der Hand aller, die uns hassen.
    Der Gesang hob an, und wie ein riesiger Klangkörper nahm der Raum die Musik auf, mischte das Orgelspiel hinzu und warf alles zurück auf die Kirchenbesucher, etwas Neues war entstanden, erhebend und erhaben.
    Die Urne Anton Grafs stand auf einem Schemel mit roter Brokatdecke, darunter lagen Blumen.
    Er hat uns geschenkt, dass wir, aus Feindeshand befreit,
    ihm furchtlos dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit.
    Der Weihrauch beschwingte Baltasar. Fast hätte er zum Takt des Liedes gewippt, doch ein Blick in die Bankreihen hielt ihn davon ab. In der Mitte sah er Kommissar Wolfram Dix und seinen Kollegen Oliver Mirwald. Was wollten die hier? Glaubten sie, der Mörder könnte sich unter den Trauergästen befinden?
    Unwillkürlich musterte Baltasar die Gesichter, aber einen Verbrecher konnte er nicht ausmachen. Wie auch? Der Täter würde sich seine Tat wohl kaum auf die Stirn tätowieren.
    Das aufstrahlende Licht aus der Höhe,
    um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen
    und im Schatten des Todes,
    und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des
    Friedens.
    In der hintersten Reihe ganz am Rand erspähte er ein Mädchen, das ihm bekannt vorkam. Sie war im Stadtpark dabei gewesen, das Mädchen, das eingeschritten war, als der Junge ihn, Baltasar, mit dem Schlagring bedroht hatte. Sie war ungeschminkt, soweit er das aus der Distanz erkennen konnte, anders als beim letzten Mal.
    Baltasar war so überrascht, dass er den Einsatz zum Gebet verpasste. Für die Besucher war das kaum zu bemerken, denn er verfügte wie alle Priester über Tricks, um den Fehler zu überspielen. Er wählte eine Variante, die ebenso simpel wie wirkungsvoll war: ein Kreuzzeichen, ohne

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