Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Vorgehen doch nur Selbstverteidigung war, wie du behauptest, dann brauchst du keine Angst vor der Polizei zu haben.«
»Ich hab keine Angst vor den Bullen. Gib mir ein Bierchen aus, Alter, und wir reden weiter.«
Baltasar spürte, dass seine Geduld rieselte wie Sand in einer Sanduhr. »Du bekommst schon was, versprochen. Aber jetzt spuck’s aus!«
»He, das hat Valentin erledigt. Er war an dem Tag gut drauf, viel besser als ich.«
»Valentin Moser?«
»Du kennst ihn, Alter? Genau, mein Kumpel.«
»Wie ging es dann weiter?«
»Das war mir doch egal. Ich hab nichts mitgekriegt, sondern mir die Show reingezogen. Hätte ich Valentin gar nicht zugetraut. Und was ist jetzt mit meinem Bierchen?«
»Du bekommst was viel Besseres von mir: Ich fahre dich nach Hause.«
24
T eresa machte ihm ein Zeichen und hielt ihm den Telefonhörer hin. Sie formte ein Wort mit den Lippen, das Baltasar nicht verstand, und deutete nach oben.
»Baltasar Senner, grüß Gott.«
Eine männliche Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung. »Einen Moment, Seine Exzellenz möchte Sie sprechen. Ich stelle durch.«
Die Verbindung war unterbrochen. Baltasar jubelte innerlich. Hatten seine Anrufe bei der Diözese am Ende doch etwas genutzt, und der Bischof bequemte sich endlich, sich um die Renovierung des Glockenturms zu kümmern.
Es knackte. »Herr Senner? Gott zum Gruße.« Unverkennbar die gönnerhafte Stimme seines Vorgesetzten. »Wie geht’s denn so bei Ihnen? Was macht die Gemeinde?«
»Exzellenz, schön, dass Sie Ihren unwürdigen Diener beehren.« Baltasar dosierte die Ironie, schließlich wollte er Vinzenz Siebenhaar nicht gegen sich aufbringen, den Geldboten ärgerte man besser nicht.
»Lassen Sie das, Senner, immer Ihre Förmlichkeit. Es ist doch normal, dass der Hirte nach seinen Schäfchen schaut. Ha, ha, ha.« Für einen Witz hatte der Bischof eine Spur zu nüchtern geklungen.
»Das freut mich, der Hirte bringt gute Sachen. Darauf habe ich schon gewartet.«
»Ich habe von dem schrecklichen Vorfall gehört. Ihr Nachbar. Das schmerzt. Mein Beileid.«
»Danke, Exzellenz.«
»Hat die Polizei schon eine Spur?«
»Ich glaube nicht, aber die Kriminalbeamten informieren einen nicht darüber, ich weiß nur, was man so hört.«
»Herr Senner, Sie werden doch nicht selbst auf Spurensuche gehen.« Der Bischof klang besorgt. »Das gehört sich für einen Priester nicht, und ich würde es Ihnen kraft meines Amtes verbieten.«
»Spurensuche ist Sache der Polizei. Meine Sorge gilt dem Gotteshaus. Schließlich ist unsere Kirche derzeit nicht vollständig, sie hat einen Defekt, wie Sie wissen, Exzellenz. Allein die Gottesdienste …«
»Mein Guter, Ihre Messen leben von der tausendfach geprobten katholischen Liturgie und von Ihrer Überzeugungskraft bei der Predigt. Das Wort Gottes wirkt immer und überall, ob in einer Kathedrale oder vor einem Grab.«
»Aber Glockengeläut gehört dazu.«
»Die Bedeutung wird überschätzt, glauben Sie mir. Ich habe schon Messen auf dem Feld abgehalten, ich denke da an die wunderbare Erntedankfeier vor vier Jahren … Und als ich erst unlängst auf dem Großen Arber wandern war, habe ich spontan mit meinen Begleitern eine kleine Messe vor dem Gipfelkreuz zelebriert. Es war ergreifend, sage ich Ihnen, der Himmel über uns, die herrliche Fernsicht über den Bayerischen Wald, die gesunde Luft. Mehr braucht man als Geistlicher nicht, um glücklich zu sein. Solche Momente entschädigen einen für alles, der Allmächtige gibt einem so viel zurück. Und ich sage Ihnen, eine Glocke hat in diesem Augenblick nicht gefehlt, im Gegenteil, sie hätte das Erlebnis, Gott so nah zu sein, sogar gestört. Die Musik der Natur ist viel sinnlicher als alle Glocken dieser Welt.«
»Aber meine Gemeindemitglieder wollen auf das gewohnte Läuten nicht verzichten.«
»Deswegen rufe ich an, mein Lieber. Es geht um Ihre Gemeinde. Es erwartet Sie die wunderbare Aufgabe, etwas für Ihre Gemeinde zu tun.«
»Indem ich endlich den Dachstuhl und das Gebälk reparieren lasse – mit Hilfe der Diözese.«
»Meinen Sie, die Urchristen hätten Glocken gehabt?« In Siebenhaars Stimme hatte sich Widerwillen geschlichen. »Denen genügten ein Kreuz und Brot und Wein für die heilige Feier.«
»Die mussten auch keine Riesenbehörden im Vatikan ernähren«, entfuhr es Baltasar.
»Das ist unangemessen, Herr Senner. Mäßigen Sie sich! So von dem Heiligen Vater zu reden! Aber ich will Ihnen verzeihen.« Der Bischof versuchte,
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