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Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Das sieht hier aus wie ein Flüchtlingstransport.«
    »Sein Verwandte von Karol.«
    »Ach so, sie fahren weiter und haben Ihren Cousin nur abgeliefert. Da bin ich aber froh.«
    »Äh … was soll ich sagen … die würden alle gerne hier bleiben.«
    »Sagten Sie nicht, Ihr Cousin käme allein?«
    »Karol musste kurzfristig seine Pläne ändern. Ich Sie stellen ihm vor, dann er alles erzählen. Er kann ein wenig Deutsch. Die andern aber leider nicht.«
    Karol drückte Baltasar zur Begrüßung so fest an sich, dass er keine Luft mehr bekam.
    »Danke, Sie uns aufnehmen, Eure Geistlichkeit, danke, danke. Ich heißen Karol und sein aus Krakau, so wie Teresa.« Er winkte seine Passagiere zu sich. »Die Kleinen seien Pawel und Jan, zehn und zwölf Jahre alt.« Der Mann schob die Kinder an die Seite und fasste die beiden Frauen um die Hüfte. »Diese beiden Goldstücke sein meine Schwester Jana und ihre Freundin Lenka, sind Augenstern, oder nicht?«
    Baltasar wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. Wie er den Erzählungen Karols und der Dolmetscherarbeit Teresas entnahm, sei Karols Schwester plötzlich krank geworden, ein Magenleiden, er habe sie und ihre Kinder deshalb nicht allein zurücklassen können. Lenka sei als Unterstützung mitgekommen, sie solle sich um die Kleinen kümmern, bis Jana wieder völlig gesund sei.
    »Wenn Ihnen nicht passt, Eure Geistlichkeit, Sie uns wieder nach Hause schicken dürfen.« Der Mann nahm Baltasars Hand und drückte sie mehrmals. »Wir Ihnen nicht zur Last fallen, wir sein Mäuschen im Haus, Sie nichts merken von uns.« Er übersetzte das, seine beiden Begleiterinnen nickten, die Buben schien es nicht zu interessieren, denn sie widmeten sich wieder ihrem Spiel.
    »Wo sollen die denn alle schlafen, Teresa?« Baltasar schwante nichts Gutes.
    »Sie doch haben ein Arbeitszimmer, das ist wenig benutzt«, antwortete die Haushälterin. »Ich holen Matratzen vom Speicher.«
    25
    A us der Küche drangen polnische Volksweisen ins Schlafzimmer, die Lautstärke war offenbar auf ein Maximum gedreht. Dazu wurde mitgesungen. Es klang wie ein schlecht gestimmter Kirchenchor.
    Baltasar zog sich das Kopfkissen über den Kopf und hoffte, dass der Kelch bald an ihm vorübergehen würde. Vergebens. Der Gesang wurde abgelöst von Gelächter, die Kinder stritten im Arbeitszimmer, bis einer von ihnen zu weinen anfing und die Tür zuknallte.
    Eine Zeitlang versuchte Baltasar, die Geräusche einfach zu ignorieren. Es gelang ihm nicht, ans Weiterschlafen war nicht mehr zu denken. Er kroch aus dem Bett, duschte sich und zog sich an.
    In der Küche roch es nach Kaffee und frisch gebackenem Brot. Karol im Jogginganzug mit Streifenmuster sprang auf und begrüßte Baltasar. Er bedankte sich nochmals für die Gastfreundschaft seiner Geistlichkeit.
    »Nennen Sie mich einfach Baltasar, Baltasar Senner.«
    Er fragte sich, ob der Mann noch im Schlafanzug war oder seine normale Garderobe trug. Die Frauen zogen an ihren Zigaretten, verwedelten den Rauch und fragten etwas auf Polnisch.
    »Sie fragen, ob draußen rauchen sollen«, übersetzte Karol.
    »Wäre vielleicht besser.« Baltasar goss sich eine Tasse Kaffee ein und strich sich ein Marmeladenbrot.
    Auf dem Tisch stand eine geöffnete Dose mit undefinierbarem Inhalt.
    »Sind Knorpelstückchen in Schweineschmalz«, sagte Teresa. »Haben unsere Gäste mitgebracht. Delikatesse aus Polen.«
    Bereits vom Zuhören braucht man einen Verdauungsschnaps, dachte Baltasar. Ihm fiel ein, dass er Teresa gar nicht gefragt hatte, wo sie ihre Gäste untergebracht hatte. Die beiden Frauen würden doch nicht mit Karol im Zimmer schlafen …?
    »Und was habt ihr heute vor?«, fragte er.
    »Sightseeing. Ort angucken«, sagte Karol.
    Baltasar überlegte, ob der Tag nicht ideal wäre, Dinge außerhalb der Pfarrei zu erledigen und die Gäste sich selbst zu überlassen.
    *
    Der Scheck, den ihm Anton Graf kurz vor seinem Tod gegeben hatte, die Spende in Höhe von 15.000 Euro für die Reparatur des Kirchturms, war ihm wieder eingefallen. Nach der Ermordung seines Nachbarn standen andere Dinge im Vordergrund. Nun fragte er sich jedoch, was er mit dem Scheck machen sollte. Durfte er ihn überhaupt einlösen? Oder war das Geld mittlerweile Teil des Erbschaftsvermögens und gehörte jemand anderem, möglicherweise Quirin Eder?
    Er musste der Sache auf den Grund gehen. Sein Arbeitszimmer hatten die beiden Kinder in ein Indianercamp verwandelt, aus Büchern hatten sie ein Gerüst gebaut und

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