Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
Schuljahr unterrichten sollte. Antike: Nun, das würde ein bisschen Arbeit erfordern. Er kannte niemanden, der vor dem achten Jahrhundert geboren worden war. Amerikanische Kolonialgeschichte, Skyes Wahlpflichtfach, war geradezu ein Leckerbissen für ihn, sodass er sich nicht einmal die Mühe machte, das Lehrbuch durchzublättern. Auch der Kurs zum Zweiten Weltkrieg erschien ihm machbar. Er würde sich einfach auf die Geschehnisse im Pazifikraum konzentrieren, wo er gedient hatte. Die Geschichte der USA von 1945 bis heute: Das hatte er alles auf dem Kasten.
    Es war kurios, die vielen Räume voller Schüler zu sehen und sich daran zu erinnern, dass er eine Autoritätsperson für sie sein sollte. Sie sahen ungefähr genauso alt aus, wie er selbst die meiste Zeit über wirkte, und die vier Jahrhunderte, die er nun schon auf der Erde weilte, hatten nichts an der Tatsache geändert, dass sich Balthazar tief in seinem Innern noch immer wie ein Teenager fühlte. So war es schon immer gewesen und würde es für alle Ewigkeiten bleiben. Vampire veränderten sich nach ihrem Tod nicht mehr richtig. Sie machten zwar ihre Erfahrungen und häuften Wissen an, aber ihre Seelen waren wie ihre Körper in der Zeit festgefroren.
    Wenn es je einen Beweis dafür gegeben hatte, dass die Existenz als Vampir eine Form der Verdammnis war – nun ja, Balthazar hatte noch nie eine klarere Definition von Hölle gehört als die der ewigen Pubertät.
    In der letzten Stunde, die Balthazar in der Schule verbrachte, hatte er Aufsicht in der Schulbibliothek, wo Skye mit ihrem Kurs ihre Freiarbeitsaufgaben erledigte. Als Skye den Raum betreten und ihn erblickt hatte, hatte Balthazar schnell woanders hinsehen müssen, um ihr nicht ein strahlendes Lächeln zuzuwerfen. Es würde schwer werden, jeden Tag so zu tun, als ob sie sich nicht kennen würden.
    Allerdings bedeutete das nicht, dass sie sich nicht austauschen konnten: Keine drei Minuten, nachdem sich Skye neben einer Freundin an einem Tisch niedergelassen hatte, surrte Balthazars Handy, um ihm mitzuteilen, dass er eine Nachricht erhalten hatte.
    Unauffällig schob er sein Telefon vor das Schulbuch Alte Zivilisationen , in dem er gerade hatte lesen wollen, und warf einen Blick auf das Display seines Handys: » Okay, ich frage mich, warum du dich nicht einfach als Schüler angemeldet hast. Dann könnten wir uns wenigstens tagsüber unterhalten.«
    » KEINE CHANCE . Im Laufe der letzten Jahrhunderte habe ich an verschiedenen Schulen mein Glück versucht. Sie waren allesamt entsetzlich. Wenn nicht noch eine andere Version der Evernight-Akademie auftaucht, kann ich darauf verzichten, ein ewiger Schüler zu sein. Also dachte ich, ich versuche es mal auf der anderen Seite.«
    » Ist es denn für einen Lehrer nicht noch furchtbarer als für die Schüler? Macht jedenfalls den Eindruck. «
    » Das liegt nur daran, dass das Schülerdasein gewöhnlich begrenzt ist, man als Lehrer aber für immer hier festhängt. In meinem Fall ist es genau umgekehrt.«
    Es gab eine lange Pause, ehe Skye ihre nächste SMS abschickte. Sie starrte zwar auf das Handy in ihrer Hand, schien jedoch darüber nachzugrübeln, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Balthazar warf ihr einen verstohlenen Blick zu, quer durch die ganze Bibliothek. Es war ein lichtdurchfluteter Raum mit hellgrauem, flauschigem Teppich, der weich unter den Füßen war. An den Wänden hingen Poster von irgendwelchen Stars und Berühmtheiten, die mitteilten: JEDER sollte Bücher lesen . Überall standen orangefarbene Bücherregale auf Rollen herum. Skye saß am Ende einer langen, weißen Tafel, und das Sonnenlicht zauberte warme Tupfen auf ihr tiefbraunes Haar. Sie hatte ein zartes Gesicht, das viel feiner geschnitten war, als es Balthazar bislang aufgefallen war, und es wirkte nun, wo sie still und schweigend dasaß, viel mädchenhafter. Ihre dichten Wimpern waren selbst aus der Entfernung gut zu sehen, ihre helle Haut war an den Wangen rosig gefärbt, und ihr langer, schmaler Hals …
    Gedanken wie diese waren Grund genug für seine »Keine-Menschen«-Regel. Balthazar stieß scharf den Atem aus, als sein Telefon erneut vibrierte.
    »Wirst du hier wirklich jeden Tag unterrichten, bis Mr Lovejoy zurückkommt?«
    »Oder bis wir Redgrave los sind. Was immer zuerst eintritt. Bis dahin gehöre ich zum Lehrkörper. Ich habe heute sogar Aufsicht beim Basketball, also kannst du mit deiner Freundin zum Spiel gehen. Sprich dich bei solchen Sachen immer zuerst mit

Weitere Kostenlose Bücher