Balthazar: Roman (German Edition)
deiner Nähe zu sein ist eher so, als versuche man, ein nasses Stück Zunder zum Brennen zu bringen.«
»Wenn man ein Feuer haben will, braucht man einen Funken; den hat es zwischen uns nie gegeben.«
Ihr verkniffenes Lächeln konnte ausgesprochen grausam wirken. »In den ersten anderthalb Jahrhunderten unserer Bekanntschaft schienst du anderer Meinung gewesen zu sein.«
Balthazar versuchte, seinen aufsteigenden Zorn zu unterdrücken. Constantias selbstsüchtiges, gedankenloses Begehren hatte sie dazu getrieben, Redgrave um ein Spielzeug zu bitten. Und der hatte ihr eines geschaffen: Balthazar selbst war ihretwegen getötet worden. Sein Leben, seine Sterblichkeit, vielleicht sogar seine Seele: Das alles war vernichtet worden, um aus ihm ein Spielzeug für Constantia zu machen.
Er versuchte, sich nicht von seiner Wut davontragen zu lassen: »Wenn du mich nicht töten willst, warum bist du denn dann hier, Constantia?«
»Ich bin hier, um dir zu erklären, wie viel einfacher alles wäre, wenn du deine halsstarrige Unabhängigkeit aufgeben und dich uns wieder anschließen würdest.«
»Du wirst doch wohl wissen, dass das niemals geschehen kann.«
»Du siehst noch immer nicht, was dieses Mädchen in Wahrheit ist.«
Dies war Balthazars Chance herauszufinden, was er wissen wollte, auch wenn er sich sein Vorhaben nicht anmerken lassen durfte. Wenn er Constantia geradeheraus befragen würde, dann würde sie ihn nur auslachen, anstatt ihm Antworten zu geben. »Woher weißt du, dass Redgrave dir nicht nur weitere Lügen auftischt?«
»Lorenzo hat von ihrem Blut gekostet. Und dann hat er uns von seinem trinken lassen.«
Mehr sagte sie nicht, aber das war auch nicht nötig. Unter Vampiren war das gegenseitige Bluttrinken eine Form der Kommunikation, die weitaus tiefer ging als alle Worte. Der Geschmack des Blutes eines anderen Vampirs ließ einen an dessen ganzem Leben teilhaben, an seinen Erfahrungen und sogar an seinen Freuden. Das hatte Balthazar herausgefunden, als er von Constantias Blut trank und ihr Verlangen nach ihm schmeckte, das in ihn hineinströmte, bis er am Ende keine Wahl mehr hatte, als sie ebenfalls zu begehren. Indem Lorenzo sein Blut mit den anderen geteilt hatte, hatte er dafür gesorgt, dass alle erfuhren, wie lohnend es wäre, Skye zu verfolgen. Und Balthazar hatte noch immer keine Ahnung, warum.
Constantia fuhr fort: »Du hast deine Chance bekommen, Balthazar. Und Redgrave gibt nicht oft eine zweite Chance. Denk gut nach, ehe du sie ausschlägst.« Constantia schlenderte aufreizend selbstbewusst davon, während ihre Schritte im Schnee knirschten. Im Weggehen rief sie Balthazar über die Schulter hinweg zu: »Übrigens ist ›niemals‹ ein sehr großes Wort.«
10
An guten Tagen kamen im Café Keats einheimische Bands auf die Bühne und spielten stundenlang. An schlechten Tagen traten Leute auf, die sich für talentiert hielten und eines Besseren belehrt wurden. Skye und Madison konnten sich nicht einigen, zu welcher Kategorie der heutige Tag gehörte. »Wie alt ist die? Achtzig?« Madison verdrehte die Augen, während sie die Schlagsahne von ihrem Getränk schlürfte.
»Vermutlich. Was macht das schon!« Skye schaute wieder zu der weißhaarigen Frau, die am roten Klavier saß und sanft eine langsame, melancholische Version von »You Really Got a Hold on Me« spielte. Es war ein altes Lied, aber eines, das Skye sehr gerne mochte. »Also ich für mein Teil hoffe doch sehr, dass ich auch ausgehen und Spaß haben werde, wenn ich erst mal in ihrem Alter bin. Und sie hat es echt drauf am Klavier. Warum sollte sie sich zurückhalten?«
»Ich stehe eher auf Musik aus diesem Jahrhundert«, beharrte Madison. Sie löffelte die restliche Sahne aus ihrem Becher und fuhr fort: »Hör mal, wegen heute Abend – wegen des Spiels … Mir ist erst später klar geworden, dass das wohl ziemlich blöd für dich ist. Ich meine, mit Craig und allem anderen.«
»Das kriege ich schon hin.« Ihr blieb auch gar nichts anderes übrig, nun, wo Balthazar dort hinkam, um auf sie aufzupassen. Und sie hatte das Gefühl, dass sie ein Spiel von Craig besser durchstehen würde, wenn Balthazar als Ablenkung mit dabei wäre.
»Wir werden uns einfach ganz weit weg von seiner neuen Freundin setzen. Ich kann sie sowieso nicht leiden. Sie ist … irgendwie minderbemittelt, findest du nicht? Das Licht ist sozusagen an, aber niemand ist zu Hause.«
Das war eindeutig eine Einladung, über Britnee abzulästern, aber Skye war nicht in
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