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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Barow
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›dachten‹?«
    »Ach, mein Gott, von mir aus
›denken‹. Ist doch jetzt eh egal. Und noch einmal zum Mitschreiben – ich weiß
nicht, wo meine Freundin, oder nennen Sie sie Exfreundin, jetzt ist. Capito?!«
Klara Ufken lief wie ein eingeschlossener Tiger in dem kleinen Raum auf und ab.
»Ich möchte gehen. Und meinen Freund suchen. Was eigentlich Ihre Aufgabe wäre.
Stattdessen sitzen Sie hier rum und tun gar nichts!«
    »Warum sind Sie so besorgt?«, fragte Arnd Kleemann nach einer
kurzen Pause. »Damit meine ich nicht besorgt um Ihren Freund. Das wäre verständlich.
Ich meine besorgt darum, was Sie uns erzählen und was lieber nicht. Das, Frau
Ufken, würde ich gerne von Ihnen wissen.«
    Klara Ufken schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu
weinen.
    Die beiden Kommissare blickten einander an, dann sagte
Kleemann: »Frau Ufken, wir werden jetzt weitere Schritte mit den Kollegen
besprechen. Ihre Handynummer haben wir. Sie sind eine wichtige Zeugin. Sie
können die Pension verlassen, aber nicht die Insel. Ich möchte jederzeit auf
Sie zurückgreifen können.«
    *
    »Was sagen Sie? Ein kleiner Junge, der sich nicht beruhigen
lässt? Warten Sie bitte bei ihm. Ich bin gleich da.«
    Wie hatte sein Kollege Röder
die Ecke mit den windschiefen, knorrigen Bäumen noch genannt, die sich in einer
Senke gegenüber dem Kinderspielhaus befand? Tarzanwald. Berend Luiken setzte
sich auf sein Fahrrad und fuhr los. Dort, auf dem Weg, der das Wäldchen vom
Cobigolfplatz abtrennte, sollte sich der Junge aufhalten. Röder war unterwegs,
um seine Kollegen vom Flugplatz abzuholen und zu Steenkens zu bringen. Luiken
würde später zu ihnen stoßen. Jetzt hatte er noch die Zeit, sich um verloren
gegangene Kinder zu kümmern.
    »Gott sei Dank, dass Sie da sind«, rief ihm die Frau schon von
Weitem entgegen. »Ich kriege kein Wort aus dem Jungen raus. Nicht einmal, wie
er heißt, sagt er mir. Geschweige denn, wo er wohnt oder warum er so jämmerlich
weint. Wolter mein Name. Erika.«
    Luiken stellte sich ebenfalls vor und kniete sich vor den etwa
sechsjährigen Jungen, der mit seinen herunterhängenden Schultern ein Bild des
Jammers bot. Luiken blickte in rot verschwollene ängstliche Augen, die sich
immer wieder mit Tränen füllten. War der Kleine weggelaufen und traute sich
nicht mehr nach Hause? War es ein einheimischer Junge oder ein Gästekind? In
den zwei Wochen, die er jetzt Dienst auf der Insel tat, hatte er erst einen
Bruchteil der Insulaner kennengelernt.
    »Ich bin Berend. Und du? Bitte sag mir deinen Namen.«
    Doch der Junge schwieg. Die Tränen liefen ihm unaufhaltsam
übers Gesicht und bildeten schmierig schmuddelige Streifen auf seinem gelben
T-Shirt.
    Luiken war ratlos. Was sollte er mit dem Jungen anfangen, der
nun auch noch anfing zu zittern?
    »Ich würde an Ihrer Stelle den Arzt anrufen. Sieht mir bei dem
kleinen Kerl nach einem Schock aus. Das habe ich mal im Erste-Hilfe-Kurs
gelernt.«
    Die Frau hatte recht, doch vorher wollte er noch einmal
versuchen, dem Kind ein paar Informationen zu entlocken. »Wo kommst du her? Was
ist denn passiert?«, fragte er eindringlich.
    Plötzlich streckte der Junge seinen Arm aus und zeigte zitternd
nach links. »Da, da!«, schrie er verzweifelt und ließ sich kraftlos auf die
Knie fallen.
    Luiken wurde es mulmig. Sollte hinter der Verzweiflung des
Jungen doch mehr stecken als die Angst, nicht mehr zu wissen, wo er wohnte?
»Ich rufe die Ärztin an. Dann werde ich mich mal eben umsehen. Hätten Sie Zeit,
diesen Moment noch bei dem Kind zu bleiben, Frau Wolter? Das wäre sehr hilfreich.«
Er war erleichtert, dass sich die Frau bereits neben den Jungen gesetzt hatte
und ihn fest in den Arm nahm.
    »Gehen Sie nur. Ich bleibe bei ihm.«
    Er folgte dem Weg, der früher einmal mit Trittsteinen ausgelegt
gewesen sein musste, jetzt aber nur noch ein schmaler Sandpfad war. Das
Unterholz, das nach Röders Erzählungen den Tarzanwald jahrelang zu einem undurchdringlichen
Dickicht gemacht hatte, war verschwunden. Trotzdem konnte er kaum etwas sehen,
denn die Baumkronen ließen nur vereinzelt ein paar Sonnenstrahlen durch. Er
schlug einige Zweige auseinander und stolperte über einen prall gefüllten
Müllsack, den jemand dort entsorgt hatte. Luiken fluchte leise.
    Aufmerksam schaute er sich weiter um, konnte aber außer ein
paar leeren Flaschen und einem schon mehrere Tage alten Hasenkadaver nichts entdecken.
Gerade wollte er den Rückweg antreten, als ihn durchdringendes Vogelgezänk

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