Baltrumer Bitter (German Edition)
vorbei.
»Wir sehen uns morgen zum Gründungsabend? Mit Arnold hast du ja
gestern schon gesprochen«, rief sie hinter den beiden her.
»Mit Arnold? Gestern? Wäre mir nicht bekannt. Da musst du wohl
was verkehrt verstanden haben.«
Ratlos blieb Margot zurück, als die beiden beim Kinderspielhaus
um die Ecke bogen. Hatte Arnold nicht gesagt, er sei bei Thorsten gewesen? Sie
musste ihn unbedingt danach fragen, wenn er von der Arbeit kam.
Am Strand war es ruhiger als an den Tagen zuvor. Der strahlende
Sonnenschein und die Hitze waren einem grau bewölkten Himmel gewichen, und der
Wind wehte kräftig aus Nordwest. Da hielten es nur die Hartgesottenen aus. Die
anderen nutzten die Gelegenheit, endlich einmal mehr von der Insel kennenzulernen
als die Wasserkante. Mit Überraschung stellten dann wohl viele fest, dass es
ein Museum gab, ein Kinderspielhaus, einen Spielteich auf dem Heller und viele
andere Plätze, die einen Besuch wert waren.
Ein Blick auf die hochgezogene rot-gelbe Flagge neben dem
DLRG-Container zeigte ihr an, dass sie unbesorgt ins Wasser gehen konnte. Wäre
es zu gefährlich, hätten die Rettungsschwimmer die kleine Rote gehisst.
Ein Schauer durchlief Margot, als sie nur vom Badeanzug
geschützt zum Wasser lief. War es der Wind oder eine innere Kälte, die sie bei
dem Gedanken an die Geschehnisse der letzten zwei Tage immer noch festhielt?
Genau genommen waren es sogar nur vierundzwanzig Stunden
gewesen, die so viel Unruhe in die Pension gebracht hatten. Auch die anderen Gäste,
denen sie im Laufe des Morgens beim Frühstück und beim Putzen des Aufenthaltsraums
begegnet war, hatten Fragen gestellt. Jedes Mal hatte sie abgewiegelt. Nein,
keine Sorge, es ist nichts Ungewöhnliches, wenn der Polizist vor der Tür steht.
Nachbarschaftshilfe. So was funktioniert hier auf der Insel.
Dann war das Gespräch wie automatisch auf den Tornado gekommen. Wo waren Sie denn, als das Unwetter losbrach? Also ich war gerade … Dann
folgten die Erlebnisse der Gäste. Jeder wollte seine ganz persönliche
Geschichte loswerden.
Das Gefühl des Wassers auf
ihrer Haut beruhigte sie. Wie so oft. Wenn sie das warme, weiche Fließen auf
ihrer Haut spürte, fielen alle Sorgen und trüben Gedanken von ihr ab, wurden
aufgelöst, weggespült. Wieder aus dem Wasser, fühlte sie sich leicht, frei und
unverwundbar.
*
»Wir werden Frau Ufken zum Identifizieren herbitten.
Schließlich müssen wir endgültige Sicherheit haben, dass es sich bei dem Toten
um unseren Vermissten handelt.« Arndt Kleemann stand neben dem Zinksarg, der in
die Leichenhalle unter der evangelischen Kirche gebracht worden war. Hier war
es angenehm kühl.
»Warum nicht Arnold Steenken oder seine Frau? Die haben den
Mann ebenfalls gekannt«, warf Berend Luiken ein. »Denen geht das vielleicht
nicht ganz so nahe.«
»Nee, nee, es wäre sicher ganz interessant, die Ufken bei der
Identifizierung zu beobachten. Die Frau kommt mir nicht sauber vor. Da steckt
noch viel mehr hinter der Geschichte als ein bloßer Streit. Auch wenn sie uns
das vorenthalten möchte. Ich möchte schon gerne ihre Reaktion sehen. Vielleicht
bröckelt ihre Schutzschicht, und wir erfahren auf diesem Wege, was hinter ihren
ständigen Sinneswandlungen während unseres Gespräches steckte. Pausenlos
wechselt sie von freundlich auf bockig, dann auf hochnäsig und dann wieder verschreckt.
Wie jemand, der die ganze Situation überhaupt nicht versteht. Die soll man
herkommen.« Arndt Kleemann nickte heftig, wie um seine Worte zu unterstreichen.
»Würde mich wundern, wenn sie hier rausgeht, ohne was zu sagen.«
»Wir sollten auf jeden Fall die Ärztin dazubitten, wenn wir
Frau Ufken hier haben. Wer weiß, was passiert. Nachher klappt sie uns noch
zusammen.« Berend Luiken schaute seinen Kollegen besorgt an.
»Du machst dir wohl richtig Sorgen um sie, was?«, fragte
Kleemann mit einem leicht ironischen Lächeln. »Zu deiner Beruhigung: Dr.
Neubert wollte sowieso gleich noch einmal vorbeischauen. Wenn wir jetzt der
Ufken Bescheid sagen, passt das. Bestellst du sie bitte her?«
»Ich wiederum möchte gerne wissen, wo sich ihre Freundin, diese
Sonja Bartels, aufhält«, überlegte Luiken. »Was die mit der Sache zu tun haben
könnte. Der Gedanke liegt doch nahe, dass die gestern Abend noch auf der Insel
war. Nicht zu vergessen: Der Tote stinkt nach Alkohol. Wo und gegebenenfalls
mit wem hat er gesessen und getrunken?«
»Tja, Fragen über Fragen, Berend. Vielleicht beantwortet Frau
Ufken ja
Weitere Kostenlose Bücher