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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Barow
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Überlegung in die Welt gesetzt wurden.
    Schon in seiner Kindheit hatte er zum Beispiel Sprüche wie
»Morgenstund hat Gold im Mund« gehasst. Den besonders. Stand er doch völlig
konträr zu seiner Lieblingsbeschäftigung: schlafen! Das hatte seine Mutter in
ihrer blauen Kittelschürze jedoch nie davon abgehalten, diesen blöden Satz
jeden Morgen herzubeten. Selbst als er schon in der Oberstufe des Gymnasiums
gewesen war, hatte sie ihn mit dieser unsäglichen Floskel begrüßt. Jeden
Morgen! Bis er eines Tages ausgerastet war und ihr mit aller Macht das
Kopfkissen entgegengeschleudert hatte. Gleich darauf hatte er feststellen müssen,
dass diese Aktion keine gute gewesen war. Sein Frühstück hatte er sich seit
diesem Zeitpunkt selber zubereiten müssen.
    Heilfroh war er gewesen, als er nach dem Abitur aus seinem Dorf
heraus und in eine andere Stadt gehen konnte. Seitdem hatte sich das Verhältnis
zu seiner Mutter sehr gebessert. Nur – »Morgenstund …« hatte sie nie wieder
gesagt. Vor Kurzem war er sogar mit seiner Familie wieder in seine alte
Heimatgemeinde Upgant-Schott bei Norden zurückgezogen.
    Als er den Schlüssel der Wache aus der Hosentasche zog, sah er
eine junge Frau, die ihm mit schnellem Schritt folgte. Ihre rote Mähne hatte
sich offensichtlich erfolgreich jeder Bändigung entzogen und rahmte wirr ein
Gesicht ein, aus dem Entschlossenheit und Wut sprachen. Die schmalen Lippen
hatte sie fest zusammengekniffen und ihre starren Augen schienen beinahe durch
Luiken hindurchzusehen.
    »Sind Sie der Polizist hier?«, sagte sie atemlos, bevor sie
sich auf den weißen Holzzaun fallen ließ, der das Polizeigrundstück einfasste.
Es knackte bedenklich. »Ich … ich wollte Anzeige erstatten. Oder zumindest
was melden. Also, ich habe da mitgekriegt …«
    »Nun beruhigen Sie sich und kommen Sie erst einmal rein.« Kaum
hatte Luiken die Tür geöffnet und die Frau mit einer Handbewegung hineingebeten,
hörte er lautes Kläffen. Aha, Amir, der schärfste Wachhund aller Zeiten ist
unterwegs, bemerkte er zufrieden. Hier hätte ein Dieb verdammt schlechte
Karten.
    Die Frau war zusammengezuckt. »Ein Hund? Ich habe Angst vor
Hunden. Ein großer Hund?«
    »Nein, keine Sorge«, sagte Luiken beschwichtigend und schloss
die Tür zwischen dem kleinen Raum, der als Dienstzimmer diente, und dem Flur,
der direkt in Röders Privatwohnung führte. Sofort war Amirs Bellen nur noch
leise aus dem Hintergrund zu hören. »Bitte setzen Sie sich. Was führt Sie zu
mir? Und würden Sie mir bitte Ihren Namen verraten?«
    »Ich heiße Sonja Bartels, und ich weiß, wer den Herrn Visser
umgebracht hat.«
    Luiken war platt. Vor ihm saß die Freundin von der Ufken und
servierte ihm einen Mörder auf dem Silbertablett. Woher wusste die Frau
überhaupt von einem Toten? Hatte sich der Fund bereits auf der ganzen Insel
herumgesprochen? Und wie kam sie darauf, dass es sich bei dem Toten um Herrn
Visser handelte? Er räusperte sich, zog ein weißes Blatt Papier und einen
Kugelschreiber heran und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Er hatte
mal gelernt, dass diese Haltung Gemütlichkeit und Vertrauen ausstrahlen sollte,
war sich dessen aber nicht mehr so sicher, als er die Entschlossenheit in den
Augen der Frau sah. Also setzte er sich wieder aufrecht. »Erzählen Sie, Frau
Bartels.«
    »… als ich die Tür geöffnet habe, lag der Knabe auf der Erde
und blutete aus allen Löchern. Ich bin sofort abgehauen. Wer weiß, was die mit
mir angestellt hätte. Vermutlich wäre ich jetzt ebenfalls ein Fraß für die
Möwen«, endete die Geschichte, die er in groben Zügen aufgeschrieben hatte.
    Luiken hakte nach. »Was meinen Sie mit ›Fraß für die Möwen‹?
Wie kommen Sie darauf?«
    »Das hat mir jemand auf der Straße erzählt. Dessen Vermieter
ist bei der Feuerwehr und war bei dem Fundort der Leiche. Total zerfetzt soll
der Visser ausgesehen haben. Und mindestens sechs Möwen sollen auf dem
draufgesessen haben.«
    Na klasse , dachte Luiken. Kein Wunder, dass sich alles
sofort auf der Insel verbreitete, wenn die Einsatzkräfte nichts Besseres zu tun
hatten, als Urlaubsgäste mit ihren Erlebnissen zu unterhalten. Oder gab es
einen anderen Grund, warum die Bartels so gut informiert war? Auch wenn die
Möwen Krähen gewesen waren? »Also sind Klara Ufken und Frank Visser mit dem
Auftrag auf die Insel gekommen, sich um eine Immobilie im Ostdorf zu kümmern.
Demnach waren nicht die beiden das Liebespaar, sondern Frau Ufken und

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