Baltrumer Bitter (German Edition)
mit Aurich gesprochen.
Die werden das regeln. Michael und Klaus, geht ihr bitte zu den Steenkens. Vielleicht
gibt es noch irgendwas, was die bis jetzt übersehen oder einfach nicht erwähnt
haben, weil sie dem keine Bedeutung beigemessen haben. Berend, du telefonierst
mit dem Wybrands.« Und an die beiden anderen Kollegen gewandt: »Ihr richtet
bitte im Hotel Sonnenstrand den Raum für unsere weiteren Arbeiten ein.
Die Chefin dort weiß Bescheid. Berend zeigt euch den Weg dorthin. Ich versuche
mal, im Rathaus noch jemanden zu erwischen, der mir Auskunft über geplante
Bauprojekte geben kann. Ich glaube zwar, dass ich um diese Uhrzeit kein Glück
mehr haben werde, aber probieren kann ich es.«
Arndt Klemann ging hinaus. Als er den blauen Betonwal zwischen
Rathaus und Marktplatz sah, der in einem kaum gefüllten Wasserbecken sein
Dasein als Skulptur fristete, zog er unwillkürlich seine Schultern zusammen. Im
Winter zuvor war er im Rahmen einer Ermittlung auf den eisglatten roten Steinen
mit seinem Fahrrad ins Rutschen gekommen und mit voller Wucht gegen die Kante
des Brunnens geknallt. Eine Erfahrung, die keiner Wiederholung bedurfte. Noch wochenlang
hatte er sich von Wiebke, seiner Frau, pflegen lassen müssen! Bis sie
irgendwann gesagt hatte: »Was sind Männer doch für Weicheier. Himmel, nee!«
Der Eingangsbereich des Rathauses war noch offen. Ein gutes
Zeichen? Rasch lief er die Stufen hoch. Am Ende des Flures residierte der
Bürgermeister. Das wusste er genau. Hatte doch seine Wiebke einige Jahre für
den Mann gearbeitet, bevor sie seinetwegen (das zumindest hoffte er – er hatte
sie vorsichtshalber noch nie gefragt) zurück nach Aurich gegangen war. Er
klopfte, doch nichts rührte sich im Büro der Vorzimmerdame. Frau Thea Holle las er auf dem Schild rechts an der Wand. So hieß die Nachfolgerin seiner Frau
also. Noch einmal klopfte er. Im gleichen Moment hörte er hinter sich eine Tür
schlagen, und eine Gestalt verschwand schnellen Schrittes hinaus.
»Entschuldigen Sie …«, rief er hinterher, aber der Mann war
verschwunden. Er gab es auf und wollte gerade das Rathaus verlassen, als er
beinahe mit einem mächtigen Körper zusammenstieß, dem ein intensiver
Fischgestank entströmte. Genau diesem Mann wäre er lieber nicht über den Weg gelaufen.
Wiebkes Ex-Chef war in seinen Augen ein unerträglicher Angeber mit null Wissen.
Viel lieber hätte sich Kleemann mit der Dame aus seinem Vorzimmer unterhalten.
Aber wenn es sich schon nicht vermeiden ließ … vielleicht konnte der
Bürgermeister ihm etwas über ein Bauprojekt erzählen.
»Guten Tag, Herr Lohmann. Sie erinnern sich noch an mich?
Hauptkommissar Kleemann. Aurich. Wir hatten schon miteinander zu tun.«
In Lohmanns Gesicht arbeitete es. Der Bürgermeister schwankte
sichtlich zwischen Rauswurf und Reinbitten. Offensichtlich gewann die Einsicht,
dass der Kommissar nicht ohne Grund vor ihm stand. »Kommen Sie herein. Meine
Mitarbeiter sind natürlich schon alle weg. Aber als Bürgermeister ist man
natürlich immer … Sie verstehen.« Er schloss die Türen auf, die zu seinem Büro
führten.
Kleemann sah, dass sich seit seinem letzten Besuch drei Jahre
zuvor noch mehr tote Fische an den Wänden versammelt hatten. Er machte dem Mann
in knappen Worten klar, warum er hergekommen war. Zwischendurch versuchte
Lohmann einige Male, ihn zu unterbrechen. Kleemann wehrte die Versuche jedoch
ab, sprach einfach weiter, nur um möglichst schnell diesen Raum wieder
verlassen zu können.
»Wybrands? Der Bauunternehmer? Dazu kann ich Ihnen gar nichts
sagen. Solche Dinge sind nicht öffentlich. Schauen Sie, der Gemeinderat …«,
versuchte Lohmann eine Erklärung, doch Kleemann winkte ab.
»Ersparen Sie mir das Gerede. Ich will Fakten. Und zwar
sofort.«
Enno Lohmann seufzte, dann sagte er kopfschüttelnd: »So ein gut
aussehender Mann, der Angestellte von dem Wybrands. Und die Frau erst. Beindruckend,
kann ich nur sagen. Beeindruckend. Wünschte mir, ich hätte hier auch so nette,
kompetente …«
Was zu viel war, war zu viel. »Kommen Sie zur Sache!«, brüllte
er den Mann an, der vor Schreck zwei Schritte zurück machte und gegen einen
seiner Fischköpfe stieß. »Wenn Sie nicht wollen, dass Ihre ach so saubere Insel
morgen die Titelseite der Bildzeitung als ›Mordseeinsel‹ ziert, dann
reden Sie, verdammt noch mal!« Kleemann hatte keine Ahnung, wie er diese
Drohung in die Tat umsetzen sollte, aber das war ihm im Moment völlig egal.
Hauptsache, der Mann
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